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06.03.2000 * (FJH)
Seine Geschichten sind "phantastisch". Er liebt das Fäkalvokabular, das er mit fast wissenschaftlicher Genauigkeit den deutschsprachigen Regionen zuordnet: Die Norddeutschen "pinkeln", die Bewohner der Mitte Deutschland "pissen" und die Leute südlich von München "pieseln".
Nicht ohne Stolz beschreibt Josef Hader sein winziges Heimatdorf in der Nähe von Ybbs. Gestern abend gastierte der österreichische Kabarettist in Marburg und zog fast 1.000 Besucher drei Stunden lang in seinen Bann.
Seit einem Dutzend Jahren organisiert der Kulturladen KFZ am Rosenmontag mit hintersinnigen Kabarettabenden ein Kontrastprogramm zum oberflächlichen Karnevalstreiben, das gegenüber vom Veranstaltungsort - dem AudiMax der Philipps-Universität - in der Stadthalle stattfand. Mit Josef Hader hat er seine hohen Ansprüche an niveauvolles Kabarett voll erfüllt.
Zwar schlägt der Österreicher gelegentlich durchaus auch mal unter die Gürtellinie, wenn er sich verbal durch unterirdische Abwasserkanäle bewegt, aber immer dann, wenn es richtig hart zu werden droht, reißt er die Karre aus dem Dreck. Er spielt mit seinem Publikum, dem er unglaublich phantastische Geschichten als persönliche Erlebnisse verkauft, die er dann aber wieder mit der Beteuerung unterbricht, das sei alles "nur Kabarett". Er manipuliert seine Zuschauer, um ihnen die Manipulation dann drastisch vor Augen zu führen.
Seine Themen sind immer wieder die "3. Welt", die "Linken", Gott, Teufel und der Tod. Seine größte Stärke ist die Schauspielkunst, die ihn ja auch bekannt gemacht hat. Mit der Gabe, von einer Sekunde zur anderen die Stimmung zu wechseln und das Publikum dabei ganz und gar mitzureißen, pendelt er zwischen der Manipulation seiner Zuschauer und ihrer Aufklärung über die Manipulation hin und her.
Auch scheinbar blöde Gags gewinnen immer wieder tieferen Sinn. Sich selbst und das Kabarett stellt Hader ebenso in Frage wie seine politischen Positionen zu Gott und der - "3." - Welt. Bei alledem war es ein überaus vergnüglicher Abend, den Hader erst nach 23 Uhr mit seinem letzten Lied abschloß. Brandender Applaus des Publikums kennzeichnete die Begeisterung, die seinen Leistungen durchaus entspricht.
31.12.2000 *
März bis Dezember 2000: Texte zum Thema "Kultur"
Kultur
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