in Partnerschaft mit
28.07.2000 * (SMa)
Auch in Marburg wird zu den globalen Aktionstagen gegen IWF und Weltbank mobilisiert.
Vom 26.-28. September findet in Prag das 55.Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank statt. Dort soll die "Liberalisierung" der Weltmärkte vorangetrieben werden. Kritiker sehen darin vor allem einen Ausbau der Vormachtstellung der reichen Industriestaaten gegenüber den Ländern der "zweiten" und "dritten Welt".
Nach den Aktionen in Seattle und Washington im vergangenen Herbst formiert sich dieser internationale Protest jetzt auch auf regionaler Ebene. Ein erstes Vorbereitungstreffen findet in Marburg am Donnerstag (3. August ) um 20 Uhr im Gewerkschaftshaus (Liebigstraße 21) statt.
In der "kapitalistischen Globalisierung als Fortsetzungn des Neo-Kolonialismus" sehen die Organisatoren der Protestaktion eine andauernde Ausbeutung der Reichtümer Afrikas, Asiens und Lateinamerikas durch die Industriestaaten. Nach wie vor führt die Armut in der "Dritten Welt" millionenfach zu Krankheit und Hunger.
Mehr als vier Milliarden Menschen leben von einem täglichen Einkommen von weniger als zwei US-Dollar. Circa 17 Millionen Kinder sterben jedes Jahr an Krankheiten, die leicht zu heilen wären. Um nicht zu verhungern, müssen 250 Millionen Kinder unter verheerenden Bedingungen für transnationale Konzerne arbeiten.
In Seattle hat die globale Vernetzung zu einem - wenn auch bescheidenem Erfolg geführt: Wegen der massiven Proteste konnten die Hardliner ihre Pläne dort nicht voll durchsetzen.
27.07.2000 (CcM)
"Ich halte die Ehe für einen Papiertiger, ein auslaufendes Modell des letzten Jahrhunderts", erklärt Bernd Aretz. Als Justiziar der
AIDS-Hilfe Marburg
engagiert sich der Rechtsanwalt und Notar für die Rechte von Homosexuellen.
Am 13. Juli hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Einführung der "Eingetragenen Lebenspartnerschaft" für gleichgeschlechtliche Paare verabschiedet. Demnach können Schwule und Lesben ihre Partnerschaft offiziell absegnen lassen. Der Lebenspartner wird nach dem neuen Recht umfassend als Familienangehöriger anerkannt. Die damit verbundenen Rechte und Pflichten schließen das Zeugnisverweigerungs- und Auskunftsrecht, die gegenseitige Fürsorge- und Unterhaltspflicht, eine Gleichstellung im Erbrecht und ein Eintrittsrecht in den Mietvertrag des Lebenspartners ein. Außerdem eröffnet das Namensrecht dann die Möglichkeit, den Familiennamen des Partners zu übernehmen. Das was bisher nur Eheleuten vorbehalten. Eine beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenkasse bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen, die Anerkennung der Partnerschaft im öffentlichen Dienstrecht, ein eingeschränktes Sorgerecht für Kinder und verbesserte Sozialleistungen, wenn Kinder vorhanden sind, sollen von nun an rechtlich abgesichert sein.
Jürgen Bomke und Dr. Karsten McGovern von Bündnis 90/Die Grünen in Marburg-Biedenkopf begrüßen in einer Presseerklärung den Entschluss der rot-grünen Regierung. Die Eingetragene Lebenspartnerschaft sei ein Schritt in Richtung Normalität. "Wenn erst im Landkreis in den Standesämtern Eingetragene Lebenspartnerschaften offiziell geschlossen werden, wird man sich bald nicht mehr am Anblick von gleichgeschlechtlichen Paaren stoßen", so die beiden Grünen-Vertreter.
Bernd Aretz hält diese Gesetzesinitiative für eine schlichte Notwendigkeit. Den Kampf vieler Paare darum, ihre Partnerschaft offiziell als Ehe bezeichnet zu wissen, hält Aretz allerdings für unnötig. Es sei doch egal, "wie man das Kind nennen würde." Eine Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe sei aus verfassungsrechtlichen Gründen aber nicht möglich. Laut Grundgesetz stehen Ehe und Familie unter besonderem Schutz des Staates. Diese Privilegien der ehelichen Lebensgemeinschaften würden wegfallen, wenn man anderen Partnerschaften dieselben Rechte einräumte, so Aretz. Dass gleichgeschlechtliche Paare trotz aller Rechte dennoch steuerliche Nachteile haben, hält der Rechtsanwalt für hinnehmbar, da bei der Institution Ehe häufig eine Familie mit Kindern im Hintergrund steht. Seiner Einschätzung zufolge würde jedoch nur eine Handvoll Paare von dieser neuen Gesetzesinitiative Gebrauch machen. Die Ehe sei für viele nicht mehr das Lebensmodell der heutigen Zeit. Es stelle sich die Frage, ob eine Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe überhaupt wünschenswert sei, wenn die Ehe nicht mehr die Lebenswirklichkeit dieser Republik widerspiegele.
Heiko Haus und Stefan Heinisch, Vorstandsmitglieder von Tuntonia e.V., sehen das Hauptproblem der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft weniger in der rechtlichen als vielmehr in der gesellschaftlichen Situation. Die Darstellung in den Medien und die Gesetze legten immer noch den Schwerpunkt auf die Erweiterung des rechtlichen Aktionsrahmens. Stattdessen aber sollten die gesetzlichen Regelungen durch Änderungen von ihrem diskriminierenden Charakter befreit werden. Homosexuelle Lebensgemeinschaften seien in der Gesellschaft schlecht angesehen, da ihnen der Weg zur klassischen Lebensgemeinschaft - nämlich der Ehe - versagt bliebe.
Der Verein "Tuntonia" setzt sich für die homosexuelle Emanzipation ein. Einige Mitglieder lehnen die neue Gesetzesinitiative ab, weil die Eingetragene Lebenspartnerschaft neuen Beziehungsmodellen keinen tragbaren rechtlichen Rahmen bieten könne. Andere stimmen dem neuen Gesetz zu, wenn auch nur verhalten. Ihre Befürchtung ist, dass die Initiative ein Schritt in Richtung Gleichberechtigung ist, der aber zum Stolperstein wird, wenn weitreichendere Folgeschritte in Zukunft verwehrt bleiben. Viele Paare reagieren auch mit Gleichgültigkeit. Die bisherige gesetzliche Regelung bot ihnen keinen Anlass, sich mit dem Thema auseinander zu setzen, so die Vertreter von Tuntonia.
Haus und Heinisch begrüßen jedoch den "nennenswerten Effekt" der neuen Gesetzesinitiative, da damit das Thema "gleichgeschlechtliche Partnerschaft" angemessener und stärker in das Blickfeld der aktuellen Diskussion trete. Die vielfältigen Formen der Diskriminierung, denen gleichgeschlechtliche Menschen, die zusammenleben, immer noch ausgesetzt sind, erhielten deutlichere Konturen, so die beiden Tuntonia-Vertreter.
Eure Meinungen und Hoffnungen
sind
uns
wichtig.
26.07.2000 * (SMa/FJH)
Nun ist auch Oberbürgermeister
Dietrich Möller
auf den
InterRegio-Zug
aufgesprungen. In einem Brief forderte er Hartmut Mehdorn auf, die Planungen der Deutschen Bahn AG (DB AG) für die Zukunft der InterRegio Strecke Konstanz-Frankfurt-Marburg-Kassel-Hamburg offen zu legen. Noch nie waren sich Marburgs Politiker voen der CDU bis hin zu den Grünen so einig: Der InterRegio muß bleiben.
Alle zwei Stunden rast so ein InterRegio zur Zeit durch die Stadt. Zwischendurch verkehren ebenfalls zweistündlich Regional-Express-Züge zwischen Frankfurt und Kassel. Damit hat die mittelhessische Universitätsstadt jede Stunde einen Bahnanschluss zur großen weiten Welt.
Manchem Zugezogenen Großstädter mag Marburgs Puppenstadt-Flair aus vorigen Jahrhunderten provinziell anmuten. Doch den meisten wird bald klar, dass Marburg mit seinen 82.000 Einwohnern die Bezeichnung Provinz nun wirklich nicht verdient. In dem engen Talkessel steigt so mansche heisse Fete, wird gerockt bis in die Nacht -Sperrstunde 1 Uhr- oder auch klassisch musiziert. Neben dem Stadtparlament und dem Kreistag gibt es noch drei weitere feste Theater-Ensembles. Zumindestens im Sommer tanzt manch prominenter Profi den Marburgern eins vor und vielleicht auch wieder zwei zurück. Provinz?
Als solche will die Bahn die Stadt abhängen. Die DB AG denkt über eine Kürzüng, wenn nicht gar die totale Einstellung der InterRegio-Linie Konstanz-Frankfurt-Marburg-Kassel zum nächsten Fahrplanwechsel im Mai 2001 nach. DB AG Vorstandsvorsitzender Hartmut Mehdorn begründet den Rückzug mit einer insgesamt zu geringen Auslastung der InterRegios. Möglicherweise könnte diese Sparaktion dann aber auch das Hätschelkind der Bahn -den ICE- überrollen: Wer von Marburg aus nicht mehr so bequem nach Frankfurt oder Kassel gelangt wie bisher, der steigt dann vielleicht ganz in sein Auto um, statt vom InterRegio in den ICE. Würde der Interregio ersatzlos abgebaut, gäbe es nur noch alle zwei Stunden eine Zugverbindung nach Frankfurt und Kassel. Sollten sich aber Gerüchte bewahrheiten, wonach die DB AG die Strecke auf den Abschnitt Karlsruhe-Frankfurt-Marburg-Kassel verkürzen will, dann müßten mehr Menschen an einem dieser Umsteigebahnhöfe den Zug wechselln als bisher. So macht die Bahn ihre Kunden zu Aussteigern, Ein- und Umsteigerm oder eben Autofahrern. Dabei sind doch 20% aller Bahnreisenden mobilitätsbehindert, und die Bahn hat die Gepäckträgerdienste auch noch abgeschafft!
Trotz ökologischer Bedenken bleibt dann für viele nur noch ihr Auto. Ein Drittel der Bevölkerung fährt aber kein Auto. Entweder zu alt oder zu jung, behindert oder krank, sparsam oder einfach nur überzeugter Umweltschützer - viele Menschen leisten sich einfach keinen eigenen PKW. Für sie ist die freie Bahn zur Mobilität in Marburg der InterRegio. Gerade diese Menschen werden von der derzeitigen Verkehrspolitik rücksichtslos abgehängt.
In den letzten 50 Jahren ist die Bahn permanent amputiert worden. Es begann meist mit einer Ausdünnung der Fahrpläne in den Tagesrandstunden. Zug um Zug wurden Fahrten gestrichen, bis schließlich keine Bahn mehr fuhr. Weil sie "unwirtschaftlich" waren, wurden so die Strecken von Kirhain nach Alsfeld und von Nierderwalgern nach Herborn stillgelegt. Nach Gladenbach beispielsweise kommt man seither nur noch mit dem Bus- oder per Auto.
Aber nun hat die nahende Kommunalwahl am 18. März 2001 alle Parteien und Politiker aufgeschreckt. Aufgebracht fordern sie das Marburg nicht aufs Abstellgleis geschoben werden darf. Ihre Einigkeit wäre noch wirkungsvoller, wenn jeder, der sich da für den InterRegio einsetzt auch bei jeder erdenklichen Gelegenheit drinsäße.
24.07.2000 * (CcM/SMa)
"Ich vermute, es ging um eine Herzensangelegenheit", kommentierte Richter Jörg Peter Taszis am Montag (24. Juli) im Amtsgericht Marburg folgenden Tatbestand. Eine 18jährige Zahnarzthelferin beschuldigte ihren damaligen Freund - und Vater ihres zweijährigen Kindes - der Beleidigung, Sachbeschädigung und der Verwendung von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation.
Nach einem Streit war es am 20.12.1999 gegen 22.30 Uhr vor der Wohnungstür der Klägerin am Richtsberg zu Beschimpfungen durch den Angeklagten gekommen. Die junge Frau hatte sich geweigert, die Tür zu öffnen. Das veranlaßte den Angeklagten dazu, die Beleidigungen durch Dauerklingeln zu verschlimmern. Als nach einer dreiviertel Stunde nichts mehr vom Angeklagten zu hören war, es jedoch weiter durchgehend klingelte, verließ die Frau die Wohung. Zwischen Knopf und Klingel fand sie ein Klötzchen, das den Dauerton verursachte. Bei der Rückkehr entdeckte sie an der Wohnungstür und am Rahmen ins Holz eingeritzte Hakenkreuze.
Zwei Tage später erstattete die damalige Asylbewerberin Anzeige. Als ein Polizeibeamter den Schaden begutachtete, waren die Hakenkreuze zu Carrés verfremdet worden. Einschätzungen des Polizisten zufolge sei diese Quadratur der Hakenkreuze als nachträgliche Entschärfung anzusehen. Das Gericht betrachtete die Hakenkreuze auch nicht als politische Äußerung, sondern als ein Versuch, die verlorene Freundin an ihrer empfindlichsten Stelle zu treffen.
Unter Einbeziehung früherer Diebstahlsdelikte verurteilte das Gericht den Angeklagten zu zwei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Da der Angeklagte Bewährungsauflagen früherer Straftaten nachgekommen ist, hofft Richter Taszis, dass die neuen Bedingungen wie Unterhaltszahlung und Schadenersatz eingehalten werden. Außerdem muss der junge Mann seine Ex-Freundin in Ruhe lassen, wenn er einem Gefängnisaufenthalt entgehen möchte.
Virtuell vernetzt bis ins letzte Negerdorf: Spiele statt Brot?
23.07.2000 * (FJH)
Vor über 100 Jahren kamen Missionare nach Afrika und brachten den "armen Negerkindern" die Zivilisation: Sie lehrten sie lesen und schreiben, rechnen und rackern, beten und glauben an den Gott des weißen Mannes. Später nannte man das Kolonialisierung oder großzügig gönnerhaft auch "Entwicklungshilfe". Aber das ist lange her.
Auf ihrem Gipfeltreffen in Okinawa haben die auf der japanischen Insel versammelten acht Regierungschefs am 22. Juli eine "G8-Charta von Okinawa über die globale Informationsgesellschaft" abgesegnet. Sie soll die Segnungen des Internet bis in die letzte Negerhütte Afrikas, die entlegenste Dschungel-Siedlung im Amazonas oder das abgelegenste Anden-Dorf bringen. Die Kulturtechnik des 21. Jahrhunderts ist nämlich der Umgang mit Computer und Internet; Lesen und Schreiben tritt dabei ein wenig hinter Anklicken und Abrufen zurück. Wichtig ist den besorgten Staatslenkern aber, dass die sogenannte "Dritte Welt" nicht von der technischen Entwicklung und dem "Wohlstand" namens Internet abgehängt wird.
Dem nachdenklichen Betrachter drängen sich indes seltsame Parallelen auf:
Könnte es vielleicht sein, dass die neue Gottheit der Europäer nicht mehr Jahwe oder Jeh ( ndern Internet oder www?
Könnte es sein, dass man mit dem Modewort "Globalisierung" genau dasselbe bezeichnet, was dereinst Kolonialisierung hieß?
Könnte es sein, das die gönnerhafte Großzügigkeit der G8-Regierungen in Wirklichkeit wieder nur darauf abzielt, die mit europäischer, nordamerikanischer und japanischer Zivilisation "Beschenkten" hinterher besser ausnehmen zu können?
Glauben die Herren etwa, das Internet könne den Hunger besiegen und Kriege verhindern; oder warum setzen sie jetzt so viel Ehrgeiz in ihr Vernetzungsvorhaben, wo sie doch die anderen drängenden Probleme der "Dritten Welt" beileibe noch nicht gelöst haben?
Es hieß schließlich immer, der Hunger sei vor allem ein Verteilungsproblem. vor Ort fehle es vielfach an der notwendigen Logistik, ausreichenden Transportmitteln und geeigneten Verkehrswegen. Vielleicht hoffen die weisen Wirtschaftspotentaten ja darauf, dass dieses Verteilungsproblem nun durch die Verkabelung des afrikanischen und australischen Buschs, des asiatischen oder südamerikanischen Dschungels und der unwegsamen Hochgebirge dieser Kontinente wenigstens virtuell gelöst werden kann. Lautet ihre Devise etwa: Spiele statt Brot?
Ein erschwinglicher Internet-Zugang sei jederperson gegönnt, gleich wo sie lebt. Aber die Frage muss erlaubt sein, warum Schröder, Clinton und Co. so viel Energie in den Anschluss der bislang abgehängten Länder legen, während sie für die elementaren Bedürfnisse der Menschen dort kaum Zeit aufwenden. Immerhin haben sie ihnen auch verbilligte Medikamente gegen AIDS und Malaria versprochen. Wahrscheinlich werden die Herstellerfirmen hierzulande jetzt schnell die Preise dafür hochsetzen. "Verbilligt" kosten die Mittel danach dann wohl genausoviel wie heute.
Der Wirtschaftsexperte erwartet sich von jeder Investition ein Cashflow; den Rücklauf der im Rahmen einer Umsetzung der G8-Charta investierten Mittel haben die Herren Gipfeltreffer, die auf Vorschlag des russischen Präsideenten Putin - man höre und staune - demnächst selbst auch eine e-Mail-Verbindung aufnehmen wollen, ganz bestimmt schon fest im Blick. Microsoftseidank wird das wohl auch nicht ins Auge gehen, oder?
21.07.2000 * (CcM)
Haben Sie schon mal versucht, mit dem Fahrrad von der Ketzerbach zum Café "Les Journeaux" in der Elisabethstraße zu gelangen? Der direkte Weg durch die Elisabethstraße ist für Radfahrer tabu. Stattdessen verordnet einem die Straßenverkehrbehörde den folgenden Weg: Man fahre geradeaus in die Deutschhausstraße hinein und warte vor der nächsten Ampel, bis sie grün wird. Dann fahre man weiter in die Bunsenstraße und Robert-Koch-Straße, biege an deren Ende nach links in die Bahnhofstraße ein - nicht, ohne vorher an der Ampel zwei Minuten gewartet zu haben - und komme nach nochmaligem linken Abbiegen zur Elisabethstraße endlich im "Les Journeaux" an. Fahrtdauer: gute fünf Minuten!
Nach dem Zurücklegen dieser Strecke fühlt man sich echt wie gerädert. Dabei ist der direkte Weg nur 50 Meter lang.
Trotz der hohen Radfahrerquote ist die Radwegsituation in Marburg alles andere als optimal. Die Verantwortlichen der Stadt meinten wohl, sie hätten das Rad neu erfunden, als sie den Pilgrimstein für Fahrradfahrer auch in Gegenrichtung freigaben. In anderen Städten, beispielsweise Erlangen, gab es so was aber schon lange. Außerdem endet dieser Radweg leider an der Elisabethkirche. Dort kann man nur entweder beten, größere Umwege antreten, die Verkehrsregeln beiseite oder das Rad schieben. Unter Umständen nutzt man den ohnehin schon sehr engen Fußweg der Elisabethstraße, um sich langsam gen Wehrda rollen zu lassen, und kollidiert dabei mit Fußgängern, Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern.
Auch wer von Wehrda zum Hauptbahnhof will, muss den großen Umweg in Kauf nehmen und entweder früher losradeln oder auf einen verspäteten Zug hoffen.
Die Gestaltung von Radwegen, vor allem in Gegenrichtung von Einbahnstraßen, rollt nur langsam an. Diese Situation macht deutlich, dass Marburgs Stadtplaner höchstens im Umgang mit ihren Vorgesetzten Rad fahren. Eine mobile Stadt auf Rädern, die nicht unbedingt nur zu Autos gehören, bleibt für Marburgs Biker vorläufig wohl nur eine Utopie.
19.07.2000 * (CcM)
Die mögliche Abschaffung der InterRegio-Strecke Konstanz - Marburg - Hamburg erhitzt die Gemüter. Zum nächsten Jahresfahrplan im Mai 2001 will die
Deutsche Bahn AG
(DB AG) ihr Streckennetz lichten, und unrentable Abschnitte - vorwiegend die InterRegio Verbindungen - sollen eingestellt werden. Gut genutzte Zugverbindungen könnten dann als zuschlagpflichtiger Intercity (IC) weiter betrieben werden. Noch ist aber keine endgültige Entscheidung getroffen.
Die Strecke hat einen hohen Wert für die Region.
Karl-Heinz Gimbel
von der Fraktion der
Freien Bürger
setzt sich im Kreistag für ihre Aufrechterhaltung ein. Seinen neusten Informationen zufolge wird die IR-Linie über Marburg in Zukunft erhalten bleiben, aber stark gekürzt werden: Karlsruhe - Frankfurt - Marburg - Kassel. Damit würden die Verbindungen in der Region auf den Nahverkehr reduziert werden.
Die IR-Strecke 19 wird stark genutzt, nicht zuletzt von vielen Studenten und knapp der Hälfte der 4.500 Berufspendler im Landkreis. Ein Kappen der Verbindungen nach Norden würde einen Verlust der Attraktivität darstellen, da das Umsteigen in Kassel-Wilhelmshöhe mit langen Laufwegen verbunden ist.
Nach Einschätzung des
Verkehrsclubs Deutschland
(VCD) gibt es sowohl im Inland als auch im europäischen Ausland fähige Privatunternehmen, die die Strecke wirtschaftlicher betreiben könnten. Eine Vielzahl von Anbietern würde die Qualität verbessern, wie man in den letzten Jahren im Flugverkehr beobachten konnte.
Alexander Müller, Landtagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, sieht in einer Umwandlung des IR in einen Regionalexpress eine massive Verschlechterung des Verkehrsangebotes für Marburg. "Immerhin hat die Universitätsstadt Marburg 82.000 Einwohner, 18.000 Studierende, und die InterRegio-Strecke wird von vielen Menschen täglich genutzt."
Gerd Felser, Pressesprecher der DB AG, konnte keine konkreten Kommentare über die Zukunft der Strecke abgeben. Die DB AG befindet sich im Gespräch mit den Ländern, um eine Finanzierung unrentabler Strecken zu diskutieren. Details zur Auslastung und Rentabilität der Strecke würden nicht bekannt gegeben.
Im Zuge der Bahnreform vor sechs Jahren wurde beschlossen, dass der Fernverkehr eigenwirtschaftlich und der Nahverkehr gemeinwirtschaftlich getragen werden. Der Regionalverkehr wird demnach durch die Länder bezahlt. Die Kosten, die der DB AG vorrangig durch die InterRegio-Züge entstehen, belaufen sich auf etwa 300 Millionen DM und sollen nun auch auf die Länder verlagert werden. Diese falsche Weichenstellung in der Unternehmens- und Finanzpolitik der DB AG gehe am Kunden vorbei. VCD-Bahnexpertin Petra Niß stellt zudem ein schlechtes Management in der Produktwerbung für den IR fest. "Dieses bei den Kunden so beliebte Produkt wird systematisch kaputt gemacht, um den Fernverkehr "gesund" zu schrumpfen."
Alle Verantwortlichen im Kreis setzen sich für die ungebremste Zukunft der InterRegio Verbindung ein. Viele Gespräche müssen aber noch geführt und Weichen gestellt werden, damit die Region nicht auf dem Abstellgleis landet.
12.07.2000 * (SMa)
"Der Bekanntheitsgrad der Region Lahntal soll gesteigert werden" erklärt Hartmut Reiße. Am Mittwoch (12. Juli) stellte der Geschäftsführer des Fremdenverkehrsverbandes Marburg-Biedenkopf e.V. bei einer Pressekonferenz im Marburger Kreishaus den Aktionstag "Von der Ohm zur Lahn ohne Auto mobil" vor.
Unter diesem Motto ist für den 3. September ein Pilotprojekt geplant, das vom Fremdenverkehrsverband, dem Amt für Straßenbau- und Verkehrswesen (ASV), der Gemeinde Cölbe, den Städten Kirchhain und Marburg sowie der Polizei ins Leben gerufen wurde. Von Kirchhain bis Marburg wird an diesem Sonntag insbesondere Radfahrern und Inlineskatern die Möglichkeit geboten, ansonsten viel befahrene Verkehrsstraßen zu nutzen. Die insgesamt 20 km lange - von 10 bis 17 Uhr gesperrte - Strecke beginnt am Kirchhainer Bahnhof. Von dort aus erstreckt sie sich über die B 62 bis Bürgeln, um über Cölbe unweit des Georg-Gassmann-Stadions in Marburg zu enden. Zu erreichen ist sie sowohl über zahlreiche Radfernwege entlang der Lahn, als auch mit der Bahn oder dem PKW.
Mit Ausnahme des Parkhauses am Pilgrimstein sind die Parkhäuser in Marburg an diesem weitgehend autofreien Sonntag geöffnet. Auch in Kirchhain und Cölbe werden Parkmöglichkeiten bereitgestellt.
Zahlreiche Verzehrbuden am Strassenrand laden zum Verweilen ein. Weitere Leckerbissen hält die Stadt Marburg bereit. Neben einem "verkaufsoffenen Sonntag" findet in der Oberstadt an diesem Wochenende erstmals ein Weinfest statt.
Wegen der großen Erfolge, die andere Regionen mit derartigen Aktionstagen "Rund ums Rad" gemacht haben, hoffen die Organisatoren auf rund 15.000 Besucher.
Damit bei dieser Veranstaltung so wenig wie möglich dem Zufall überlassen bleibt, sind die gesperrten Straßen für Notfälle weiterhin befahrbar. Ansonsten müssen Autofahrer eigens ausgeschilderte Umleitungswege benutzen.
Sogar das Wetter wurde in die Planung einbezogen: Nach der Schönwetterstatistik der letzten 20 Jahre ist das erste Wochenende im September immer sonnig und warm gewesen. Zumindest in bezug auf die Verkehrs- und Veranstaltungsplanung lassen die Beteiligten auf ein vergnügliches Ereignis hoffen.
Wer nicht bis zum nächsten Marburger Stadtfest warten will, kann sich demnächst in einem Programmheft genauer über Fahrpläne, Parkmöglichkeiten und Routenbeschreibung informieren.
11.07.2000 * (Sma)
"Jedes Verkehrszeichen hat seine eigene Geschichte", erläutert
Werner Luckhardt. Der Leiter der Straßenverkehrsbehörde des Landkreises Marburg-Biedenkopf ist ihr seit Herbst vorigen Jahres auf den Grund gegangen. Insgesamt 845 Straßenverkehrszeichen im Kreisgebiet sind seither vom Straßenrand verschwunden.
"Die Bundesrepublik Deutschland gehört inzwischen wohl zu den Ländern mit der höchsten Verkehrszeichendichte", erklärt Luckhardt. Bei einer Pressekonferenz am Montag (10. Juli) stellte er - gemeinsam mit Landrat
Robert Fischbach
sowie Vertretern von Polizei, Verkehrsverwaltung und Fahrschulen - die Ergebnisse der "Verkehrsschauen" vor.
Der "Hang des Deutschen zur Perfektion" - so die Frankfurterr Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 20. April 1993 - hat inzwischen eine verwirrend große Anzahl von Verkehrszeichen auf bundesdeutschen Landstraßen geschaffen. Diesen Missstand hat Luckhardts Behörde für den Landkreis Marburg-Biedenkopf nach einem Erlass des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (HMWVL) sowie des Amtes für Straßenbau- und Verkehrswesen (ASV) seit 1999 angegangen. Die Beamten haben verzichtbare Schilder ausgesondert, um damit einer Informationsüberfrachtung des Autofahrers entgegenzuwirken. Anstelle des Schilderwaldes appellieren sie an die Eigenverantwortlichkeit des Kraftfahrers.
Insgesamt haben sie 845 Verkehrszeichen entfernt. Dabei handelt es sich sowohl um Gefahrzeichen, Ver- und Gebotszeichen, Richtzeichen und Zusatzzeichen. Jedes einzelne Schild musste dabei eine sorgsame Prüfung überstehen. Schilder mit dem Hinweis auf Geschwindigkeitsbegrenzungen vor Ortstafeln und solche mit der Bedeutung "Überholverbot" hat man fast vollständig entfernt. Nur an "Unfallpunkten", die der Polizei durch eine Häufung von Unfällen bekannt sind, hat man vorsichtshalber auf ein Entfernen der Schilder verzichtet.
Neben dem Appell an die Eigenverantwortlichkeit des Fahrers, soll die Beachtung der nunmehr noch vorhandenen Schilder gesteigert werden. Der Blickwinkel der Autofahrer soll sich damit von der Warnung vor abstrakten auf konkrete Gefahren hin verschieben. Zumindestens für den Schilderwald hoffen die beteiligten Behörden, dass hier weniger Zeichen zu einem Mehr an Verkehrssicherheit führen werden.
04.07.2000 * (sap)
"Marburg braucht die Energiewende", fordern Bündnis 90/Die Grünen. Der Atomausstieg müsse von einer neuen kommunalen Energiepolitik begleitet werden.
Nach Ansicht der Grünen müssen Energiesparberatung und die Ausnutzung von Energiesparpotentialen ausgeweitet werden. Durch den Bau einer Wasserkraftanlage am Afföllerwehr und die Ausweitung der Stromerzeugung aus Solarstrom sollten die Stadtwerke Marburg den Anteil des vor Ort aus regenerativen Energiequellen gewonnen Stroms ausweiten. Zudem sollten sie eine "Informationsoffensive für ökologisch verträglichen Strom" starten. Der in Marburg auf Initiative der Grünen hin angebote Stromtarif, der nur Strom enthält, der in Marburg aus Kraft-Wärme-Kopplung, Wasserkraft und Solarenergie erzeugt wird, müsse in den nächsten Jahren systematisch ausgebaut werden.
Die Stadt solle weitere Dachflächen zur Solarstromerzeugung bereitstellen. Dabei sollten nach dem Modell der Emil-von-Behring-Schule auch Produktionsgenossenschaften für Solarstrom berücksichtigt werden.
Die nach Auffassung der Grünen seit über einem Jahrzehnt überfällige Modernisierung des Uni-Herzwerks auf den Lahnbergen könnte durch bessere Nutzung von Kraft-Wärme-Koppllung dazu beitragen, dass Marburg über die Hälfte seines Stroms selbst erzeugt.
"Jetzt kommt es in den Kommmunen darauf an, die Energiewirtschaft auf eine ökologisch verträgliche Energieversorgung umzustellen", stellt der Landtagsabgeordnete Alexander Müller fest. "Marburg muss mit seinen Stadtwerken eine Vorreiterrolle bei der Energiewende spielen."
03.07.2000 * (FJH)
Friedlich verliefen der gestrige "Marktfrühschoppen" und die von der PDS-Hochschulgruppe angemeldete Gegendemonstration. Gegen 10 Uhr versammelten sich gut 200 Demonstrantinnen und Demonstranten vor der Stadthalle, um zum Heumarkt zu ziehen. Nach der dort abgehaltenen Kundgebung, wo die farbentragenden Studentenverbindungen als "Faschisten" kritisiert wurden, zog der Demonstrationszug wieder abwärts zur Universitätsstraße. Ein starkes Polizeiaufgebot mit Hunden sperrte derweil den Zugang zum Marktplatz ab, wo sich schätzungsweise 1.000 Teilnehmer des traditionellen Fests der Marburger Bürgerschaft mit den hiesigen Studenten aufhielten. Wegen des überdimensionalen Anteils farbentragender Verbindungsstudenten beim "Marktfrühschoppen" betrachten die gewählten Studentenvertreter den "Marktfrühschoppen" mehrheitlich als "nicht mehr zeitgemäß".
19.06.2000 *
Verfassungswirklichkeit
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