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Politik


Erinnerungen: "Aufbruch zwischen Mangel und Verweigerung"


15.12.2000 * (
sfb)
Wer erinnert sich noch an Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg? Wie war es damals in Marburg? Davon wußte kaum noch jemand, bis der zweite Band von Marburg in den Nachkriegsjahren" mit dem Titel "Aufbruch zwischen Mangel und Verweigerung" erschien. Er ist das Ergebnis einer jahrelangen Kooperation zwischen den Herausgebern Benno Hafeneger und Wolfram Schäfer, beide Erziehungswissenschaftler an der Philipps-Universität, und der Stadt Marburg. Im Sinne seiner Befürworter füllt das Buch eine Lücke der Marburger Lokalgeschichte von der Nachkriegszeit bis in die Mitte der 50-ger Jahre hinein. Dieses Werk, an dem 20 Autoren mitgewirkt haben, ist jedoch keine breit angelegte Sozial- und Alltagsgeschichte, so Hafeneger bei der Vorstellung des Buches am Freitag (15. Dezember) im Rathaus. Der Band deckt aber ein vielfältiges Spektrum an Themen, Entwicklungen und Tendenzen der Marburger Nachkriegsgeschichte ab, bemerkte Oberbürgermeister Dietrich Möller. Er diene deshalb nicht nur dem besseren Gegenwartsverständnis der Stadt, er sei auch, so Möller weiter, von großem enzyklopädischen Nutzen.
Dem Titel "Aufbruch zwischen Mangel und Verweigerung" suchen die Autoren mit selbst gewählten Beiträgen Rechnung zu tragen. Der Historiker Erhard Dettmering gibt mit Zeitungsausschnitten von 1947 bis 1952 Einblicke in die zeitlichen Hintergründe; Sorgen und Probleme, aber auch Hoffnungen der damaligen Menschen werden dabei transparent.
Im Vordergrund vieler Beiträge stehen die Bemühungen um Demokratisierung, die sich auf allen Ebenen im politischen und kulturellen Bereich etabliert und fortgesetzt haben, so Schäfer.
So behandelt der Erziehungswissenschaftler Hafeneger die Jugend und Jugendarbeit als ein außerschulisches Angebot, das die Kinder nach amerikanischem Vorbild demokratisieren sollte. Von Aufbruch zeugt auch der enorme Bildungshunger der Marburger, den die Autorin Gabriele Clement, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft, in ihrem Beitrag über das Amerika-Haus - die heutige Stadtbücherei - beschreibt.
Die Texte können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Zuge der Demokratisierung auch Rückschläge und Mißerfolge gab. Wolfram Schäfer macht auf restaurative Tendenzen im universitären Bereich aufmerksam. Wenn er nicht vorzeitig gestorben wäre, hätte ein ehemaliger SS-Hauptsturmführer, der Kinder zu Forschungszwecken mißbrauchte, einen Lehrstuhl im Fachbereich Medizin besetzen dürfen. Überhaupt haben sich einige Marburger geweigert, ihre Mitschuld an den NS-Verbrechen einzugestehen, ergänzte Dettmering. Dargestellt werden zudem einige Personen aus Marburg.
Der Band "Aufbruch zwischen Mangel und Verweigerung" erscheint in der Reihe "Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur" und kostet 33 DM.
Bleibt nur zu hoffen, dass seine Leser aus der Geschichte lernen.


Abstammungsgemeinschaft: Ursachen von Rechtsradikalismus


13.12.2000 * (
sap)
"Deutsche Leitkultur" ist eines der aktuellen Schlagworte der politischen Debatte. Rechtsradikalismus ist inzwischen eine in der Gesellschaft weitgehend geächtete Position. Die "Ursachen des Rechtsradikalismus" waren Thema einer Podiumsdiskussion der PDS- Hochschulgruppe am Montagabend (11. Dezember) im Hörsaalgebäude.
Drei verschiedene Ansätze verfolgten Prof. Reinhard
Kühnl, Politikwissenschafter an der Philipps-Universität Marburg mit dem Forschungsschwerpunkt "Faschismus" als Wissenschaftler, Ayfa Diker von der AG MigrantInnen der PDS als Betroffene und der thüringische PDS- Landtagsabgeordnete Carsten Hübner als Vertreter Ostdeutschlands.
Bis zur Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts durch die Rot-
Grüne Regierung im Frühjahr dieses Jahres wurde die deutsche Staatsangehörigkeit nach Abstammung definiert. Die deutsche Nation habe sich nicht - so Kühnl - wie beispielsweise Frankreich und andere europäische Länder als Territorialgemeinschaft begriffen.
Nichtdeutsch aussehende Menschen blieben folglich die "anderen und und fremden.
Als dazu gehörig gelte, wer sich am Ma+stab der deutschen 'Kultur' messen lasse, die von der CDU als "Deutsche Leitkultur
gefeiert werde. Die jetzt den Rechtsradikalismus im 'Aufstand der
Anständigen' bekämpfende Regierung halte ihn selbst latent "am Köcheln" durch Aussagen, die ausländische Mitbürger und Mitbürgerinnen als Ursache für Arbeitslosigkeit nahelegen. Letztlich rühre der zunehmende Rechtsradikalismus aus täglicher Existenzangst. Der wettbewerbsorientierte Kapitalismus sei darauf
angelegt, dass die Stärkeren sich durchsetzten und Schwächere auf
der Strecke blieben. Ein Ausweg biete für die Zukurzgekommenen eine Flucht in rechtsextreme Positionen.
Solange auch seit Generationen hier aufgewachsene Menschen als "AusländerInnen" bezeichnet würden, solange habe sich in den Köpfen noch nicht genug bewegt. Ayfa Dikers Hauptkritik ging an die Regierung, wobei sie eine Rede zitierte, die sie selbst vor zwei Jahren gehalten hat. "Vor zwei Jahren hatten wir MigrantInnen mit dem Regierungswechsel viele Hoffnungen verbunden", erklärte sie. Doch sei diese Rede nach wie vor aktuell, man müsse lediglich den Namen Kohl durch Schröder ersetzen.
Carsten Hübner bemängelte, dass Polizeipersonal bei
ausländerfeindlichen Übergriffen oft die Angegriffenen anstelle der Angreifer verhafte. Er forderte Schulungen der Polizei im Umgang mit ausländischen Bürgern.
In ostdeutschen Städten würden die häufig von Jugendlichen frequentierten Zentren von Köchen, Ingenieurinnen und
von pädagogisch nicht ausgebildetem Personal betreut.
Abschließend drehte sich die Debatte um die Zulässigkeit einer Ost-West-Spezifikation des Problems und das - weiterhin umstrittene - NPD-Verbot. Auf dem Podium wurde diese Maßnahme befürwortet; als alleiniges Mittel sei sie aber nicht ausreichend.


Kapital, Crash, Krise: Sahra Wagenknecht im Hörsaalgebäude


06.12.2000 * (
sfb)
Je später der Abend, desto schöner die Gäste. So auch im Fall Sahra Wagenknecht, Vorstandsmitglied der kommunistischen Plattform der Partei des demokratischen Sozialismus (PDS) im Deutschen Bundestag. Mit ihrem Vortrag über "Kapital, Crash, Krise- kein Ausweg?" überzeugte sie am Dienstag (5.Dezember) die gut 200 Zuhörer auch rhetorisch.
Wagenknecht war einer Einladung der PDS-Hochschulgruppe und der DKP Marburg gefolgt. Sie zog eine ernüchternde Zwischenbilanz der rot-grünen Regierungskoalition.
Bei den jüngsten rechtsextremen Übergriffen auf ausländische Mitbürger und sozial Schwache bezichtigt sie die Regierung einer indirekten Mittäterschaft. Der von Schröder geforderte "Aufstand der Anständigen" sowie die green-card-Kampagne seien lediglich Lippenbekenntnisse.
Am Beispiel der Steuer-, Öko- und der Rentenreform machte Wagenknecht deutlich, dass der Angriff auf sozial Schwache nicht nur von Rechten ausgeht. Die Kluft zwischen Unternehmern und Wenig-Verdienern sei unter der rot-grünen Regierung sogar erheblich größer geworden als zu Zeiten der Kohl-Kanzlerschaft.
Trotz der als umweltfreundlich ausgewiesenen Ökosteuer bevorzugten die Verbraucher angesichts ansteigender Fahrpreise für öffentliche Verkehrsmittel das billigere Auto. Weniger stark treffe die mit der Ökosteuer verbundene Strompreiserhöhung Unternehmer, die nach der Liberalisierung des Strommarktes Sonderkonditionen mit Großunternehmen wie Yellow-strom ausgehandelt haben. Dieses Privileg bleibt privaten Haushalten vorenthalten.
Das Ungleichgewicht zwischen besser Verdienenden und sozial Schwachen werde durch die geplante Rentenreform weiter verstärkt. Die dabei vorgesehene private Altersvorsorge sei von wenig-Verdienern schwer aufzubringen. Die Gewinner der Reform, so Wagenknecht weiter, seien die Banken, Großunternehmer und nicht zuletzt die Versicherungen. In Anbetracht des hohen Bruttosozialprodukts seien die Renten durchaus finanzierbar.
Zum Schluß des Vortrags blieb auch die in den Medien hochgelobte Steuerreform nicht unerwähnt: Die Senkung der Körperschaftssteuer habe ebenfalls die Großunternehmer begünstigt. Diese Übervorteilung - so Wagenknecht - sei überflüssig, bedenkt man, dass der Vermögensbesitz der Großunternehmen in die Milliarden geht. Anstatt diesen Überschuss für höhere Sozialleistungen zu verwenden, werde er als Finanzanlage genutzt. Dieser Privatisierung der Gewinne setzt Wagenknecht nach sozialistischem Modell eine gerechtere Verteilung entgegen. Sozialismus sei keine Nostalgie, sondern notwendig.


Mahnwache: Christen gegen Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt


03.12.2000 * (
FJH)
Wegen anonymmer Bombendrohungen hatte ein Marburger Supermarkt die Zeitschrift "Jüdische Nachrichten" aus seinem Sortiment genommen. Für den Arbeitskreis "Frieden" der evangelischen Kirchengemeinde Marburg-Cappel war das - nach weiteren fremdenfeindlichen Vorkommnissen - Anlass, etwas zu unternehmen: Vom 2. Dezember an will die christliche Friedensgruppe nun jeden Samstag zwischen 11 und 12 Uhr in der Oberen Gutenbergstraße eine Mahnwache "Gegen Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt" durchführen.
An der ersten Mahnwache haben am Samstag (2. Dezember) mehr als 20 Menschen teilgenommen, darunter auch Stadträtin Ulrike Kober, Bürgermeister Egon Vaupel und Gewerkschaftssekretär Rüdiger Stolzennberg. Mit von der Partie war auch Marburgs älteste Friedens-Aktivistin, die 92-jährige Quäkerin Eleonore Kaufmann.
Einige Passanten schlossen sich der Aktion spontan an. Mit dem Echo bei der Bevölkerung waren die Veranstalter sehr zufrieden: Es gab durchweg nur positive Äußerungen!
Die Cappeler Friedensgruppe möchte die Organisation der Mahnwache bis Weihnachten wöchentlich durchführen und die Organisation im Januar dann an eine andere Friedensgruppe weitergeben. So könnte vielleicht jeden Monat eine andere Organisation für die Durchführung der Mahnwache verantwortlich zeichnen.


Die Qual der Wahl: Urnengang an der Uni


02.12.2000 * (
sap)
Es wird gewählt in Marburg. Nicht erst im nächsten Jahr bei den Kommunalwahlen, sondern noch vor Weihnachten ist ein großer Teil der MarburgerInnen zum Urnengang aufgefordert: die Universitäts-Wahlen stehen bevor. Der Senat und die Wahlversammlung, die Fachbereichsräte und das Studierendenparlament werden nun erstmals nach den Regeln des neuen hessischen Hochschulgesetzes neu gebildet.
Vom 11. bis zum 14. Dezember entscheiden sich die neuen politischen Kräfteverhältnisse an der Philipps-Universität. Mit 23 Listen treten rekordverdächtig viele Gruppen zur Wahl der 41 Studierendenparlamentssitze an. Hinter dieser hohen Listen-Zahl verbergen sich auch bisher noch nicht aufgetretene Gruppen wie die "Bruderschaft des Bösen", diverse Burschenschafts-Tarnlisten wie die Gruppe "Aktiv!", aber auch zahlreiche linke Gruppen, die zum Teil erstmals nicht als Bündnis, sondern alleine antreten. Die Qual der Wahl haben die Wählenden mehr denn je.
Bleibt abzuwarten, aus welchen Gruppen der neue Allgemeine StudierendenAusschuss (AstA) gebildet werden wird. Momentan setzt er sich aus einer Koalition der Grünen-Hochschulgruppe , der Juso-Hochschulgruppe, der Rosa-Liste und der Gruppe "A.I.D.A." (Aufbruch in den AStA) zusammen. Die Liberale Hochschulgruppe hat die Studentenvertretung wegen Differenzen mit den übrigen AstA-tragenden Gruppen im November verlassen. .
Das neue - von der Regierung Koch/Wagner erlassene – hessische Hochschulgesetz hat den Studierenden einige Mitspracherechte beschnitten - so hat sie beispielsweise im Senat die drittel-Parität zwischen Studierenden, Professoren und Beschäftigten aufgehoben. Die höchste Vertretung der Universität besteht nun - statt wie bisher zu gleichen Teilen aus ProfessorInnen, wissenschaftlichen Mitgliedern, Studierenden und administrativ Tätigen - aus neun ProfessorInnen, jeweils drei Studierenden und wissenschaftlichen Mitgliedern sowie zwei administrativ-technischen Mitgliedern. Aus diesem Senat bildet sich auch die Wahlversammlung, die das universitäre Präsidialamt besetzt.
Neben zahlreichen wechselnden Wahllokalen können Studierende vom 11 bis zum 14. Dezember im Unter- und Erdgeschoß der Mensa am Erlenring, im Foyer der Philosophischen Fakultät Wihlelm-Röpke-Straße und in der Mensa auf den Lahnbergen täglich zwischen 11 und 15.30 Uhr , an einigen Stellen bis 16.30 Uhr ihre Stimme abgeben.



22.11.2000 * Mädel, Mädel: Faschistische Frauengruppen


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