Politik


Sinti: Keine Zukunft ohne Gedenken


16.10.2001 * (
sfb)
Eine Gedenktafel am Landratsamt erinnert an die Deportation von Marburger Sinti und Roma im MÄrz 1943. Am Montagabend (15. Oktober) hat die Stadt einen "neuen Baustein in der Reihe der Auseinandersetzung" gesetzt."Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma" heißt die Ausstellung, die in der Elisabethschule unter Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Dietrich Möller eröffnet wurde.
Anita Awosusi vom Dokumentations- und Kulturzentrum deutscher Sinti und Roma in Heidelberg, und Adam Strauß, Vorsitzender des Landesverbandes Hessen der Sinti und Roma, haben sie konzipiert und organisiert.
Pädagogische Einrichtungen wie die Hessische Landesanstalt für Pädagogik (HelP) sowie weitere Bildungseinrichtungen und Schulen, unterstützen das Projekt. "Die lange Reihe der Kooperationspartner bezeugt das große Interesse an der Ausstellung.", so Egon Vaupel, Schuldezernent der Stadt Marburg. Die Ausstellung soll dazu beitragen, Bildungsdefizite zur Geschichte und Kultur der Sinti und Roma vor allem in der Zeit von 33 bis 45 zu schließen. Dies ist auch der Grund, warum die Initiatoren eine Schule als Ort der Ausstellung gewählt haben. Vor allem junge Menschen, die maßgeblich an der Gestaltung der Zukunft mitwirken, sollen sich mit dem Thema befassen. "Ohne Gedenken gibt es keine Zukunft", so Strauß in seiner Eröffnungsrede. Die Erinnerung daran, dass 500 000 Sinti und Roma in den Konzentrationslagern ums Leben gekommen sind, soll zudem verhindern, dass noch mehr junge Menschen ins rechte Spektrum abdriften.
Angesichts aktueller Ereignisse ist die Ausstellung gleichzeitig Mahnung an uns alle. Die Tendenz, den Rechtsradikalismus zu dulden, werde immer selbstverständlicher. "Wenn ich sehe, dass im Freistaat Bayern Sinti und Roma erfaßt werden, krieg ich so einen Hals." So Awosusi.
Die Ausstellung zeigt Tagebücher, private Fotos oder Biographien, die das Leben der Sinti und Roma vor 1933 auf Stellwänden dokumentieren. Die anonymen Opfer des Nationalsozialismus, Menschen wie Du und ich, bekommen so einen Namen und ein Gesicht. Umso schockierender sind die Zeugnisse der Unmenschlichkeit , die dem Betrachter schonungslos vor Augen geführt werden. Die Nazis wickelten die Diskriminierung und Ausgrenzung sowie die anschließende Vernichtung der Sinti und Roma ordnungsgemäß und bürokratisch ab. Sehr viele Juristen schufen die gesetzlichen Grundlagen hierfür, Ärzte machten mit. Arbeitskollegen und Nachbarn haben zugeschaut.
Seit 1998 hat die Ausstellung 23 Städte der Bundesrepublik durchlaufen. Gestartet ist sie im Magdeburger Dom, zuletzt war sie in Freiburg i. Br.. In Nürnberg zählte sie 20 000 und in Pforzheim lediglich 5000 Besucher. 24 Stationen passierte die mobile Ausstellung.
In Marburg liefern eine Matinee im Theater am Sonntag (28. Oktober) am Schwanhof und Filme im Cineplex zu den Schicksalen der Sinti und Roma das Begleitprogramm zu dieser vierwöchigen Ausstellung, die noch bis zum 9. November montags bis freitags zwischen 8 und 16 Uhr sowie samstags von 10 bis 14 Uhr zu sehen ist.


Einheit: Friedenstauben zum Feiertag


03.10.2001 * (
nmn)
Das Marburger "Bündnis gegen Rechts" und der Ausländerbeirat der Stadt Marburg hatten für Mittwoch (3. Oktober) zu einem multikulturellen Fest auf dem Marktplatz eingeladen . Unter dem Motto "Tag der Einheit der Menschen" begingen Marburger Bürgerinnen und Bürger auf besinnliche Weise den "Tag der deutschen Einheit".
Verschiedene RednerInnen, darunter Prof. Dr. Reinhard Kühnl und Pfarrerin Rosemarie Elsas aus Marburg, plädierten für eine tiefgründigere und differenziertere Sicht- und Herangehensweise an die Probleme nicht nur in Ost- und Westdeutschland, sondern in der ganzen Welt. Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1990 könnte angesichts des riesigen Solidaritätswellens der großen Nationen im aktuellen Politgeschehen klein und unbedeutend erscheinen - doch für viele Bürgerinnen und Bürger wird sie eines der herausragendsten und bedeutsamsten Erlebnisse ihres Lebens bleiben. Menschen fanden zusammen, Menschen wurden frei.
Doch in das Konzept der freien Marktwirtschaft passte es nicht, dass die Menschen aus der ehemaligen DDR nicht nur konsumieren, sondern auch produzieren und arbeiten wollen, sagte Rolf Düber vom DGB in Erfurt. "Export schafft Reichtum und anderswo Arbeitslosigkeit", fuhr er fort, und plädierte dafür, dieses Problem verstärkt öffentlich zu machen. So wie wir jeden Tag mehrfach die neuesten Börsennachrichten hören, müßten wir auch immer wieder mit den aktuellsten Arbeitslosenzahlen konfrontiert werden. In Thüringen operiert man deshalb bereits mit dem Begriff TAX - Thüringer Arbeitslosenindex. Als "des Rätsels Lösung" schlug Düber vor: investieren statt Arbeitslosigkeit finanzieren.
Der "großen Solidaritätswelle" gehen Schattenseiten voraus und werden - leider - Schatten folgen. Dr. Matin Baraki vom Ausländerbeirat Marburg kritisierte das Verhalten der USA, die die heutigen Todeskrieger jahrelang unterstützt haben und sich nun vollkommen überrascht zeigen angesichts der schrecklichen Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit. Er verwies auf die Bibel, in der geschrieben steht: "Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um."
Dasselbe sage auch ein afhganisches Sprichwort aus: "Wer eine Schlange in seinen Ärmel läßt, wird eines Tages von ihr gebissen." Baraki bezeichnete nicht nur die USA, sondern "zur Feier des Tages" auch Deutschland als heuchlerisch und verlogen, was die Ausländerfreundlichkeit angeht. Er nannte als Beispiel die "Greencard", die nichts weiter als die Vortäuschung falscher Tatsachen von einem ausländerfreundlichen Deutschland sei.
Auf Probleme der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit machte auch der Deutsche Kinderschutzbund unter anderem mit dem Schriftzug: Alle Menschen sind Ausländer. Fast überall." aufmerksam. Am Stand des Kinderschutzbundes konnten die Kleinen - aber auch die Großen - Friedenstauben aus Styropor basteln und ihre Wünsche für die Zukunft daraufschreiben oder -malen.
"Paula wünscht sich Frieden", oder "alle Bösen sollen gut werden" oder "nur mit Liebe und Glauben können wir die Welt beschützen" war auf der Kette aus Friedenstauben zu lesen, die später den Marktplatz schmückte.
Um ein kleines Stück für den Frieden in der Welt beizutragen, wurden auf dem Fest allerdings nicht nur Friedenstauben, sondern auch "Schutzengel" gesucht . Mit der Wiedervereinigung haben diMenschen der ehemaligen DDR das Recht auf freies Reisen wiedererlangt. "400 .000 Deutsche fliegen Jahr für Jahr in die große weite Welt und wollen nur das eine. Einige Tausend von ihnen schrecken selbst vor Sex mit Kindern nicht zurück."
Zum Schutz engel für solche Kinder, die in der Prostitution ums Überleben kämpfen müssen, kann jeder einzelne ganz einfach werden, indem er sich fotografieren läßt - zum Beispiel beim Fest zum Tag der Einheit der Menschen von Mitarbeitern des "weltladens marburg". Der Weltladen leitet die Fotos an missio weiter. Für jedes eingegangene Foto überweisen Großspender eine Mark an die Hilfsorganisation. Projekte zum Schutz von Kindern können so finanziert werden.
Musikalisch umrahmt wurde das Fest von DJ Sascha, den Bräuten sowie Mr. Mutschoko and his World Music Band. Die TrommlerInnen des Kimba Djembe Orchestra trommelten eindrucksvoll den Frieden herbei. Eine Musikerin sagte: Laßt uns gemeinsam hoffen, dass Krieg nur ein Traum von ganz, ganz wenigen ist, und wir alle zukünftig in Frieden Leben können." Und sie trommelte "Liberté" für den Erhalt der Freiheit.


29.09.2001 * Grüne: Sag mir, wo die Blumen sind?


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