Soziales


Berauschend: Marburger Suchthilfetage

25.10.2001 * (
sfb)
Wann ist mein Kind abhängig, wann suchtgefährdet? Ist maßvoller Drogenkonsum legitim? Dies sind nur einige Fragen, die die Sucht-AG des Landkreises Marburg-Biedenkopf auf den Marburger Suchthilfetagen unter dem Motto "Jugend und Sucht - Einstieg und Ausstieg" vom 25. bis zum 27. Oktober beantwortet. Bereits am Mittwochvormittag (24.Oktober) herrschte im Foyer des Congress Center Marburg (CCM) reges Treiben wie auf einem orientalischen Basar. Vertreter der Sucht AG, Drogen- und Jugendberatungsstellen oder Selbsthilfegruppen informierten mit Ständen und workshops über ihre Arbeit. Ein Suchtspiel sowie Alice, ein Frankfurter Busprojekt, klärten kind- und jugendgerecht über Partydrogen auf. Ebenso regten zwei Theaterstücke zum Nachdenken und Lachen gleichermaßen an.
[Drogenbesteck]        Zu den Fotos!        [Am Informationsstand]

Es gab auch allerlei Wissenswertes speziell für Erwachsene. "Wie entsteht Sucht?", lautete ein Referat von Hans Dlabal, leitender Arzt der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen und Psychotherapie der Klinik für Psychotherapie Marburg-Süd.
Diese Frage, so schickte der Fachmann voraus ,läßt sich nicht definitiv beantworten. Dlabal war aber bemüht, einige Mosaiksteinchen zusammenzufügen, die ein ungefähres Bild abgeben, wie Sucht entstehen könnte. Die Thesen seines überaus interessanten Dia-Vortrags stützten sich auf zahlreiche neurobiologische Untersuchungen. Ist Sucht in der Menge oder aber in der Person, gar in ihren Erbanlagen begründet? Ein Experiment gibt Aufschluß: Danach reagieren Personen stärker auf Schmerzimpulse, die aus belasteten Familien stammen als solche aus unbelasteten. Hinzu kommt, dass die Schmerzempfindung unter Alkoholeinfluß von nur 0,9 Promille bei dem einen stark gedämpft, bei dem anderen gleichbleibend ist. Die Person, die bei gleicher Dosierung stärker reagiert, ist womöglich suchtanfällig. Die Erfahrung, dass Suchtmittel das Leben erträglicher oder bunter machen, speichert und wiederholt der empfindlichere Typus. Das sogenannte Belohnungs- oder reward-System ist aktiviert. Jugendliche Raucher, deren Zahl deutlich zunimmt, putschen ihr reward-System allein 20mal am Tag auf. Die Folgen sind schwerwiegend. Bei dauerhafter Aktivierung können Abhängigkeiten - auch von anderen, schwereren Suchtmitteln - sowie hirnorganische Schädigungen auftreten. Außerdem nimmt der Konsum, ob von Nikotin oder illegalen Drogen, dem Jugendlichen die Chance zur persönlichen Reifung. Diese entsteht durch Mängel, die er aushält. Wenn aber der Konsum von Drogen diese unangenehm empfundenen Mängel betäubt, ist die Reifung verzögert oder eingeschränkt.
Den Abschluss des informationsreichen Tages bildete ein "hearing" zu den Leitlinien der Suchtprävention der Stadt Marburg. Bernd Kliebahn vom Hesischen Rundfunk hat die Diskussionsrunde aus Vertretern von Theorie, Praxis und Politik moderiert. Anwesend waren Carsten McGovern, der neue Sozialdezernent des Kreises Marburg-Biedenkopf, dann Wolfgang Settertobolte vom Sonderforschungsbereich Prävention der Universität Bielefeld, und Rolf Plauth von der Jugenddrogenberatung Marburg sowie Werner Meyer, Jugendhilfeplaner der Stadt Marburg. Gemeinsam mit dem Auditorium diskutierten sie zwei Themenschwerpunkte: Die Bestandsaufnahme und Prävention.
An der Frage, wie unauffällige, aber möglicherweise gefährdete Jugendliche an Präventionsmaßnahmen gebracht werden können, entzündete sich eine angeregte Diskussion. Die Schule, da waren sich alle einig, sei der geeignete Ort, wo eine derartige Früherkennung erfolgen kann. Das Problem dabei sei, dass Schule erst die Bedingungen für eine Abhängigkeitsentwicklung schaffe. Man denke nur an den hohen Leistungsdruck und die schlechten Vorbilder. Ein weiterer Streitpunkt war die Finanzierung von flächendeckenden Suchtpräventionsmaßnahmen im landkreis. McGovern redete an den Realitäten vorbei, als er eine stärkere Koordination der verantwortlichen Einrichtungen sowie eine Konzeption mit konkreter Bedarfsformulierung forderte. Dies alles gebe es bereits - nur die finanziellen Mittel fehlten; bereits vorhandene würden sogar noch abgebaut, gab Plauth zu bedenken.
Am Ende gab es mehr Fragen als Antworten.
Die Marburger Suchthilfetage sind noch lange nicht vorbei. Am 25. Oktober gibt es Veranstaltungen in der Europaschule und der Sporthalle in Gladenbach. In der Stadthalle in Stadtallendorf werden von 10 bis 22 Uhr Filme zum Thema "Abhängigkeiten" gezeigt. Eine Hip-Hop-Party bildet am samstagabend (27. Oktober) den krönenden Abschluss in den Kult-Hallen in Marburg.


Immer voraus: Blinde begehen "Tag des weißen Stockes"


15.10.2001 * (
FJH)
"Iss datt enn Minensuchjerät?" Solche und ähnliche Fragen hören Blinde immer wieder, wenn sie mit ihrem weißen Langstock die Straßen deutscher Städte entlanglaufen. In Marburg gehören sie mittlerweile aber schon zum Stadtbild. Die meisten Passantinnen und Passanten gehen mit ihnen wie selbstverständlich um.
Bundesweit begehen die Blinden am 15. Oktober jedes Jahres den "Tag des Weißen stockes". In diesem Jahr hat der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) die Veranstaltungen unter das Motto "Immer eine Stocklänge voraus" gestellt. Damit beschreibt die Bonner Blindenorganisation die Wirkungsweise dr Stock-Technik: Der an Körpergröße und Schrittlänge der Besitzerin oder des Besitzers angepasste Stock trift immer dort auf den Boden auf, wo mit dem nächsten Schritt der Fuß hintritt. Dazu wird der Langstock in rhythmischen Pendelbewegungen vor dem Körper entlanggeführt. So ertastet er alle Hindernisse auf dem Boden. Vor Hindernissen oberhalb der Gürtellinie - überhängenden Ästen, vorstehenden Ladeflächen von Lastwagen oder im Kopfbereich befindlichen Schildern und Balken - kann der Langstock nicht schützen. Hier sind Blinde auf Hinweise der Mitmenschen angewiesen, die sie vor derartigen Hindernissen warnen sollten.
Wichtig beim Umgang mit Blinden ist immer die eindeutige Ansprache: Der Ausruf "Achtung!" oder "Vorsicht!" hilft wenig, wenn nicht klar ist, wovor da gewarnt wird.
Auch ein freundliches Handzeichen kann Blinde nicht ermutigen, vor einem Auto die Straße zu überqueren. Deutlich hörbares Abbremsen und Anhalten, gegebenenfalls ein kurzes doppeltes Hupen, ist für Blinde die eindeutigere Aufforderung.
Wer mehr über den Alltag seiner blinden Mitbürgerinnen und Mitbürger erfahren möchte, der kann sich ab 11 Uhr im Steinweg am Stand der Blindenbund-Bezirksgruppe Marburg vor dem "Auflauf" informieren. Um 18 Uhr zeigt die Bezirksgruppe dort einen "Hörfilm", dessen Bilder Blinden durch spezielle Kurzbeschreibungen erklärt werden. Dank dieser "Audiodeskription" können Menschen mit starken Sehbehinderungen auch am Fernsehprogramm oder Filmvorführungen teilhaben. Wie heißt es doch in Artikel 3 des Grundgesetzes: "Niemand darf wegen seienr Behinderung benachteiligt werden."


Wer SUCHT , ...:Di e 2. Marburger Suchthilfetage


08.10.2001 * (
sfb)
Die ersten Suchthilfetage 1999 haben großen Anklang gefunden. Deshalb haben sich die Veranstalter aus der Sucht-AG des Landkreises Marburg-Biedenkopf entschlossen, die 2. Marburger-Suchthilfetage vom 24.-27. Oktober 2001 auszurichten. Unter dem Motto "Jugend und Sucht- Einstieg und Ausstieg" stehen die Tage ganz im Zeichen der Sucht- und Drogenprävention. Sie liefern ein vielfältiges Informationsangebot, das sich an Jugendliche sowie pädagogische Einrichtungen und Personen richtet, die mit Jugendlichen zu tun haben. Dies teilte Gisela Gerken , Leiterin der Suchtberatungsstelle des Gesundheitsamtes Marburg, auf einer Pressekonferenz am Montag (8. Oktober) mit.
Der Erfolg der ersten Suchthilfetage ist aber nicht der alleinige Grund für die neue Veranstaltungsreihe. Studien belegen, dass das Einstiegsalter der jugendlichen Alkohol- und Drogenkonsumenten weit nach unten gegangen ist. Selbst 9-jährige greifen bereits zur Zigarette. Beratungslehrer sind mit 7- und 8 - Klässlern konfrontiert, die sich regelmäßig dem Rausch hingeben , sagte Peter Plackert, Koordinator der Beratungslehrer. Der Mißbrauch von Drogen und Alkohol steigt bei dieser Altergruppe zudem drastisch an. Allein 700 000 Jugendliche sind von der Designer-Droge Acstasy abhängig.
Die Experten machen ein breites Ursachenbündel für diesen alarmierenden Zustand verantwortlich. Neben gesellschaftlichen Veränderungen, sei die Versorgungslage an Drogen besser geworden. Sie sind billiger und leichter zugänglich, gleichzeitig verfügen die Jugendlichen über mehr Geld zur Finanzierung der Rauschmittel, meinte Mario Ferranti von der AIDS-Hilfe Marburg.
Kompensationsbedürfnisse, die stärker werdende Individualisierung sowie der zunehmende Druck , sich präsentieren zu müssen, sind weitere Ursachen für den erhöhten Konsum in immer jüngeren Jahren, so Ferranti.
Diesen und anderen Ursachenfeldern soll nun auf den vier Suchttagen Rechnung getragen werden. Was ist zu tun, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist? "Wie werden Handlungskompetenzen verstärkt, wie das Selbstbewußtsein der Jugendlichen gestärkt?" lauten Fragen, die Fachkräfte aus Drogenberatungsstellen, Schulen oder Jugendhilfeeinrichtungen beantworten.
Eine ganztägige Informationsreihe mit hohem Unterhaltungswert ist am 24. Oktober im Kongress-Center Marburg vorgesehen. "Wie entsteht Sucht?" , beantwortet ein Referat von Hans Dlabal, Psychotherapeut im Psychiatrischen Krankenhaus Marburg. Außerdem stehen Theateraufführungen, die sich mit dem Freizeitverhalten junger Menschen und anderen Phänomenen rund um das Thema Sucht beschäftigen, auf dem Programm. Selbsthilfegruppen von Eltern stellen sich vor. Nicht fehlen dürfen zudem Beratungsangebote für Eltern und Angehörige. Den Abschluß des Tages bildet eine Podiumsdiskussion.
In Gladenbach und Stadtallendorf zeigen die dortigen Präventionsfachkräfte Filme zur Abhängigkeit und Sucht; sie stehen auch für etwaigen Gesprächsbedarf zur Verfügung.
In den Kult-Hallen Marburg beschließt eine Hip-Hop und Techno-Party am Samstag (27. Oktober) die viertägige Veranstaltungsreihe.
Das Programm der Suchthilfetage ist beim Gesundheitsamt, Schwanallee 23, 350 37 Marburg erhältlich. Anfragen erteilt Gisela Gerken, Fachkraft für Suchtprävention im Gesundheitsamt unter 06421/189-141 von 8 bis 12 Uhr.


Heilige Pflege: Marburg als Zentrum der Behinderten


04.10.2001 * (
fjh)
Marburg ist die Stadt der Blinden und ein Zentrum der Behindertenbewegung Deutschlands größte Messe zum Thema Behinderung und Pflege, die Reha-Care 2001, findet vom 2. Bis 5. Oktober in Düsseldorf statt und - wie sollte es auch anders sein - Marburg und die Marburger sind hier allgegenwärtig. Unter den Ausstellern sind unter anderem Blista Brailletech aus Marburg, die Firmen Audiodata, Handy Tech und Papenmeyer mit Filialen in Marburg und nicht zuletzt der Lebenshilfe-Verlag. Marburger treten auch in den Diskussionsforen auf: So diskutierte zum Thema Pränataldiagnostik am Dienstag auf dem Stand der Aktion Mensch Jürgen Reuter von der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung. Am Mittwoch erläuterte neben Karl Hermann Haack als Beauftragter der Bundesregierung für die Belange Behinderte auch Dr. Andreas Jürgens den Entwurf eines neuen Gleichstellungsgesetzes, das die Situation Behinderter im Alltag verbessern soll. Jürgens, der in Kassel als Richter arbeitet, hatte zuvor in Marburg Jura studiert. Der Rollstuhlfahrer ist Sprecher des Forums Behinderter Juristinnen und Juristen. Der Entwurf, der bis zum Herbst nächsten Jahres Gesetz werden soll, geht maßgeblich auf Anregungen dieses Arbeitskreises mit erheblicher Marburger Beteiligung zurück. Bei seiner Bedeutung für die Behindertenbewegung wäre auch eine derartige Messe in Marburg durchaus vorstellbar. Einige "kleine Problemchen" müsste die Universitätsstadt dann freilich noch lösen: Der Messeplatz auf dem Afföller bietet wohl nicht die nötige Infrastruktur für eine Publikums- und Fachmesse mit 900 Austellern und 50.000 Besucherinnen und Besuchern. Auch die Verkehrsanbindung Marburgs lässt leider noch einiges zu Wünschen übrig. Das gastronomische Angebots Marburg hält einem Vergleich mit dem in Düsseldorf vermutlich nicht ganz stand. Allein das Flair der historischen Oberstadt böte einen attraktiven Anziehungspunkt für größere Veranstaltungen. Den Massenansturm zu einer solchen Messe würde Marburg freilich nur schwer verkraften, es muss aber am 1. Mai 1236 noch eine viel größere Veranstaltung erfolgreich durchgeführt worden sein: Zur Heiligsprechung der Elisabeth von Thüringen sind schätzungsweise 1 Million Menschen in Marburg gewesen!


Hilfe ge-Sucht: Wegweiser im neuen Gewand


01.10.2001 * (
sap
Über Suchthilfeeinrichtungen im Kreisgebiet informiert der neue Sucht-Wegweiser. Das Gesundheitsamt des Landkreises Marburg-Biedenkopf hat die aktualisiterte Ausgabe dieser Broschüre im September vorgelegt. Das Informationsheft wurde in Zusammenarbeit mit der Sucht-AG erstellt. Der Sucht-Wegweiser ist ein Verzeichnis aller Suchthilfeeinrichtungen in der Stadt Marburg und im Landkreis. Er wird seit 15 Jahren regelmäßig aktualisiert. Dieses Mal hat sich die Sucht-AG für eine andere Aufmachung entschieden, ohne am Charakter des Sucht-Wegweisers etwas zu verändern.
Auf 16 Seiten finden Ratsuchende Anschriften, Telefonnummern und e-mail Adressen in den Kategorien AIDS-Beratung, ambulante, stationäre und fachärztliche Behandlung, Beratungsstellen, berufliche Rehabilitation, Sebsthilfegruppen, Suchtprävention sowie Wohngruppen und betreutes Wohnen.
Die Broschüre ist kostenlos erhältlich in Beratungsstellen, öffentlichen Institutionen und im Gesundheitsamt. Auskunft gibt die Drogenkoordinatorin Gisela Gerken, Telefon 06421/ 18 91 41.


29.08.2001 * Zu viele Autos: behinderte Jugendliche im Landratsamt


Soziales


© 25.10.2001 by