in Partnerschaft mit
19.04.2001 * (sfb)
Wie lösen Husemanns Willi und Klottenstöckers Anton ihren Streit um die Gülle ? Sie trinken ein paar Bier miteinander. Eine ähnliche Art, Konflikte zu lösen, präsentierte der Umweltpsychologe Andreas Homburg vom Fachbereich Psychologie der
Philipps-Universität
am Mittwochabend (18. April ) im Rahmen der Ringvorlesung "Konflikte der Zukunft - Analysen und Alternativen" vor rund 100 Zuhörerinnen und Zuhörern. Mit dem Vortrag "Bedrohlich, aber nicht zu ändern? Die Umweltkrise aus psychologischer Sicht" folgte er einer Einladung des "Interdisziplinären Seminars zur Ökologie und Zukunftssicherung (ISEM) und des Zentrums für Konfliktforschung an der Philipps-Universität.
Wer nun erwartet hätte, dass Homburg in seinem 45 Minuten dauernden Referat zu dem Thema "Umweltkrise aus psychologischer Sicht" informieren würde, der irrte. "Wie wird die Umweltkrise wahrgenommen oder welche negativen Folgen erwachsen aus der Umweltbelastung" lauten die zentralen Fragen der Umweltpsychologie, so Homburg. Deshalb gingen die Zuhörerinnen und Zuhörer davon aus, dass von psychischen Beeinträchtigungen der unmittelbar Betroffenen die Rede sein würde. Man denke zum Beispiel an Konzentrationsmängel, die durch permanentem Lärmeinfluß entstehen. Zum deutlichen Mißfallen der Zuhörerinnen und Zuhörer behandelte Homburg allerdings Konflikte, die Betroffene angesichts der Frage nach einem effizienten Umweltschutz plagen.
Dabei stellte er den intrapsychischen Konflikt der Betroffenen in den Vordergrund. Diese wollen das Umweltproblem lösen, können es als einzelne aber nicht. Konflikte dieser Art sind nicht zu lösen, aber andere.
Dabei empfehle es sich, so Homburg weiter, präventiv vorzugehen, damit die Konflikte nicht unnötig eskalieren. Leider wird erst dann gehandelt und Fördermittel für die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung gestellt, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.
Am Beispiel des Konflikts zwischen ökologischen und ökonomischen Notwendigkeiten in einem Unternehmen zeigte Homburg Strategien auf, wie Konflikte bereits im Vorfeld vermieden werden können. Zielgruppen sind Vertreter der Geschäftsleitung, die für die Finanzierung von umweltschützenden Maßnahmen verantwortlich sind, sowie die Mitarbeiter des Unternehmens, die lediglich daran interessiert sind, ihre Arbeit zu verrichten. Die einen wollen nichts -, die anderen können nichts verändern. Diese Haltung, so Homburg, müsse sich ändern, da sie zu einem Konflikt führt.
Diesen Gesinnungswandel will der Umweltpsychologe in einem zweitägigen workshop vollbringen. In ihm soll ökologisches Verhalten auf beiden Seiten gefördert werden, das den Umweltschutz vor Ort langfristig gewährleistet. Umweltpromotoren bringen ihr Klientel dahin, ein neues Verhalten zu planen und auszuprobieren. Vorerst müssen alte Gewohnheiten systematisch abgebaut werden. Dabei gehe man am besten in kleinen Schritten vor, so der Rat des Wissenschaftlers. Am Ende der Wegstrecke werden die Leute ermutigt, ihre erfolgreichen Bemühungen nach draußen zu tragen, damit andere dem positiven Beispiel folgen mögen.
So, wie keine großen Schritte gemacht werden dürfen, so wenig dürften harte Nüsse bei der Konfliktprävention geknackt werden. Deshalb versuchen die Promotoren, den möglichen Widerstand von wenigen abzuschwächen.
So also löst der Psychologe Konflikte. Wenn das Klottenstöckers Anton und Husemanns Willi wüßten.
06.04.2001 * (FJH)
Die normative Kraft des Faktischen" sei - so Universitätspräsident
Horst-Franz Kern
- diejenige Methode, mit der Prof. Gerhard Aumüller Erstaunliches geschafft habe. Sollte das Fachgebiet "Geschichte der Medizin" in Marburg auf Weisung der Hessischen Landesregierung eigentlich abgeschafft werden, so habe Aumüller es durch geschicktes Agieren geschafft, diesem Thema bessere Bedingungen zu verschaffen als sie jemals an der
Philipps-Universität
bestanden hätten. Neueste Errungenschaft ist die Einrichtung der "Emil-von-Behring-Bibliothek für Ethik und Geschichte der Medizin". Sie wurde am Donnerstag (5. April) mit einer Feierstunde und einem Festvortrag eröffnet.
Als "Notlösung" entschuldigte Aumüller die Tatsache, dass er selbst den Festvortrag "Von der Serum-Therapie zur Rassenhygiene" halte; die Kosten für seinen Londoner Wunschreferenten habe sich das Institut nicht leisten können. Eine "Notlösung" war dieser lebendig vorgetragene Einblick in die Geschichte des Fachbereichs Medizin an der Philipps-Universität aber keineswegs. Er zeigte die Spannweite, in der sich wissenschaftliche Ethik und medizinisches Handeln bewegen können, anhand dreier Beispiele auf.
1885 kam als erster Hygieniker der Pettenkofer-Schüler Max Rubener aus München nach Marburg. Ihm folgte - gegen den erklärten Willen der Marburger Professorenschaft vom preußischen Ministerialrat Althoff durchgesetzt - der Berliner Stabsarzt
Emil Behring. Gemeinsam mit Erich Wernicke forschte der - 1901 als erster mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnete - Wissenschaftler am Hygiene-Institut von Robert Koch in Berlin an Antikörpern gegen Diphterie.
Am 4. Dezember 1890 veröffentlichte Behring seine Forschungsergebnisse, mit denen er die Methode des Impfens vorstellte.
Am 20. Dezember 1891 unternahm Wernicke den ersten Versuch, den Impfstoff an zwei Kindern einzusetzen. Behring widersprach ihm heftig, weil er ein Versagen des Impfstoffs befürchtete. Mit seiner Befürchtung behielt er recht, die Wirkung des Impfstoffes war tatsächlich noch nicht ausreichend. Gemeinsam mit Paul Ehrlich verfeinerte er daraufhin die Qualität des Serums, das er aus Tierblut gewann.
In einem Vertrag teilten sich Ehrlich und Behring die Gewinne der Impfstoff-Herstellung mit der Hoechst AG in Frankfurt. Dieses Geschäftsinteresse war auch der Grund, warum Behring ausgerechnet nach Marburg wollte, das in angemessener Entfernung zu Frankfurt liegt. Ehrlich entzweite sich später von Behring und beklagte sich in einem Brief über dessen "Geschäftstüchtigkeit". Das berühmte Bild, das Ehrlich und Behring zusammen zeigt ist - so Aumüller - eine Fotomontage.
Behring baute die Chrirugische Klinik am Pilgrimstein, die heutige Frauenklinik, zu einem zeitgemäßen Lehr- und Forschungsinstitut aus. 1904 eröffnete er die Behring-Werke, die 1929 in die IG-Farben eingegliedert wurden.
Zu Behrings Aufgaben gehörten auch Vorlesungen über Medizingeschichte und Ethik in der Medizin, er war also ein Vorgänger Aumüllers. Belegt sind auch umfassende Studien Behrings über Philosophie und Ethik, die über die Vorbereitung von Lehrveranstaltungen weit hinaus reichten. Noch zu wenig erforscht ist nach Einschätzun von Aumüller die Rolle von Behrings Frau Else. Else Spinola war die Tochter des jüdischen Direktors des Berliner Krankenhauses Charite, was die Nazis aber später nicht davon abhielt, den Nobelpreisträger zum germanischen Helden hochzustilisieren und seine "Halbjüdischen" Kinder zu schonen.
Nach Emeritierung Behrings im Jahr 1916 folgte Heinrich Bonhoff auf den Lehrstuhl für Hygiene. Er kümmerte sich um die Kanalisation Marburgs, hatte aber keine Bedenken, die Abwässer in die Lahn einzuleiten. Aumüller zeigte sich verwundert, das die damals in Hamburg grassierende Cholera angesichts solcher Zustände nicht auch in Marburg auftrat.
1931 wurde als Nachfolger Heinrich Bonhoffs der Hygieniker Wilhelm Pfannenstiel nach Marburg berufen. Seinen jüdischen Assistenten schleuste er zwar ins Ausland, doch diente er selbst als Berater der Nazi-Organisation "Lebensborn" und als Hygieniker der Waffen-SS.
Zu seinen Aufgaben gehörte die Inspektion von SS-Kasernen ebenso wie die von Konzentrationslagern. Auch "beriet" er die Nazi-Ärzte in den KZs bei ihren Menschenversuchen.
Er richtete das Fachgebiet Rassenhygiene ein und leitete in Marburg die "Deutsche Gesellschaft für Rassenhygiene". Die SS zeichnete ihn unter anderem mit dem Totenkopf aus. Nach Kriegsende wurde Pfannenstiel von seinen Kollegen als Denunziant und Gesinnungstäter eingestuft. Er selbst berief sich nun auf die Hilfe für seinen jüdischen Assistenten, die allerdings im Gegensatz zu Schreiben steht, die er nach dessen Auswanderung an Nazi-Organisationen gerichtet hatte.
All diese interessanten Informationen - so freute sich Gerhard Aumüller abschließend - können nun durch Originaldokumente in der neuen Behring-Bibliothek überprüft und ergänzt werden. Die Sammlung in den Räumen des anatomischen Instituts in der Robert-Koch-Straße enthält neben Behrings Briefen auch dessen wissenschaftliche Bibliothek sowie Bücher aus dem Bestand des anatomischen Instituts. Am Wochenende (7. und 8. April) können die neue Bibliothek sowie eine Dauerauststellung über die Geschichte der Geburtshilfe zwischen 10 und 18 Uhr von der Öffentlichkeit besichtigt werden.
04.04.2001 * (sfb)
Wer auf der Suche nach seinen Wurzeln ist und einen französisch klingenden Familiennamen trägt, ist bei dem Hugenotten Info-Büro in der Ketzerbach 37 an der richtigen Adresse. Wie der Name verrät, informiert diese Stelle, die der deutschen Hugenottengesellschaft in Bad Karlshafen angeschlossen ist, rund um das Thema Hugenotten. Bei den Hugenotten handelt es sich um calvinistische Glaubensflüchtlinge, die nach Aufhebung des Edikts von Nantes unter König Ludwig XIV. aus Frankreich in die benachbarten Länder fliehen mussten. An der Wand des kleinen Büros ist eine Landkarte zu sehen, die hugenottische Besiedlungsorte deutschlandweit anzeigt. Allein in der Umgebung von Marburg sind Frauenberg, Schwabendorf oder Wolfskaute angegeben. Dort pflegt man bis in die heutige Zeit hinein hugenottische Traditionen. Die Hugenotten seien eben sehr stolz auf ihre Vergangenheit, meint Büroleiterin Renate Hoeck.
Die relativ dichte Besiedlung um Marburg lässt darauf schließen, dass die Errichtung des Büros im letzten Jahr kein Zufall war. Es ist übrigens auch kein Zufall, dass Renate Hoeck dieses Büro in Eigenleistung betreibt. Sie selbst hat französische Vorfahren. Ihr Großvater, der in der Nähe von Frankenberg lebt, sprach noch das Französisch aus der Zeit Ludwigs des vierzehnten.
Anliegen der gelernten Kauffrau ist es, die Hugenottengesellschaft in Marburg bekannt zu machen. Ein wesentlicher Bestandteil ihrer Tätigkeit ist die Ahnenforschung, die hauptsächlich über Namensregister betrieben wird. In der Regel werden diese von ehrenamtlichen Mitarbeitern der Hugenottengesellschaft erstellt.
Wer etwas über seine Vergangenheit wissen möchte, muss den Familiennamen sowie die Daten des ältesten Vorfahren angeben. Wichtig ist der Hochzeitstag, der Geburtstag und eventuell auch die Namen der Paten sowie - falls bekannt - die der Eltern dieses Ahnen. Mehrere Namensregister müssen durchsucht werden. Ein Gesamtregister gibt es leider nicht.
Ist das Büro fündig geworden, geht die Suche nach früheren Generationen dann in entsprechenden Geschichtsblättern oder Veröffentlichungen weiter. Diese Dienstleistung ist nicht unentgeltlich, da die Suche sehr aufwendig ist.
Außerdem bietet das Info-Büro einschlägige Literatur zum Thema "Hugenotten" und Waldenser an, die im Buchhandel nicht zu erwerben ist. So kann der Leser beispielsweise erfahren , dass die - von dem Marburger Otto Ubbellohde illustrierten - Märchen der Brüder Grimm wie Rotkäppchen, Aschenputtel oder der Gestiefelte Kater ebenfalls im Zuge der Flüchtlingsbewegungen nach Hessen gekommen sind. Nicht zuletzt kann der Kunde Hugenotten-Kreuze als Ketten oder Anstecknadeln und auf Tellern und Tassen abgedruckt, käuflich erwerben.
Wer dieses Angebot nutzen und mehr Licht in das Dunkel seiner Vergangenheit bringen will, beachte die Öffnungszeiten am Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 15 bis 18 Uhr.
08.03.2001 *
Angeprangert: Schiller über Uni zur Nazi-Zeit
Wissenschaft
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19.04.2001 by
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