Text von Freitag, 7. Juni 2002
Marburg * (ChH)
Keine Gleichstellung trotz Gleichstellungsgesetz. Die Deutsche Bahn AG (DBAG) tut immer noch nichts dafür, den Marburger Hauptbahnhof barrierefrei und kundenfreundlich zu gestalten. Das Bahnhofsgebäude wird nach wie vor um 21.30 Uhr geschlossen. Die Reisenden müssen dann um das Gebäude herumlaufen. Besonders Blinden und Sehbehinderten fällt es schwer, sich im unwegsamen Gelände neben der Bahnhofshalle zurechtzufinden. Deshalb hat der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) für Donnerstag (6. Juni) zum zweiten Mal zu einer Demonstration vor dem Hauptbahnhof aufgerufen. Der Zeitpunkt war so gewählt, dass die Kundgebung während der abendlichen Schließung des Bahnhofsgebäudes stattfand. Außerdem ist der 6. Juni der internationale Tag der Sehbehinderten. Die Behinderten fordern Sofortmaßnahmen von der Bahn. Sie wollen sich nicht länger mit einem Umbau des Gebäudes in näherer oder fernerer Zukunft vertrösten lassen. Politiker aller Rathausparteien unterstützten diese Aktion. Von Jürgen Rehlich (CDU) über Sören Bartol (SPD) bis hin zu Hans Joachim Zeller (PDS) waren sich alle einig, dass der momentane Zustand untragbar sei. "Stellt Marburg nicht aufs Abstellgleis", wurde die Deutsche Bahn aufgerufen. Dabei könnten schon wenige Veränderungen Barrierefreiheit schaffen. Den Zugang zu den Bahnsteigen könnten Aufzüge erleichtern. Gepäckbänder an allen Aufgängen würden das Reisen vereinfachen. Im Bahnhof müßte es Aufenthaltsräume und eine Gaststätte geben, die langes Warten angenehmer machen. Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, müssen Hilfe beim Ein und Aussteigen erhalten und selbstverständlich sollte das Bahnhofsgebäude so lange geöffnet sein, bis der letzte Zug abgefahren ist. Das Wetter bei der Demonstration hatte allerdings Symbolcharakter. "Die Bahn läßt uns im Regen stehen", riefen die Demonstranten. Um das Entgegenkommen der Bahn zu zeigen, war der Gießener und Marburger Bahnhofsmanager Udo Käutner ebenfalls anwesend. Er gebe ja zu, dass sich die Situation leider infolge des IC Verkehrs geändert hätte. Ursprünglich wäre der Umbau für 1994 geplant gewesen. Mit ersten Verbesserungen könne man nun aber in fünf bis sechs Monaten Rechnen. Ein komplett behinderten gerechter Bahnhof werde jedoch erst 2005 entstehen. Nach 21.30 Uhr will die DBAG den Bahnhof nicht geöffnet lassen, da er sonst "zu einem Auffangbecken für soziale Randgruppen" würde. Diese Begründung rief heftige Proteste hervor. Mittlerweile hatten sich auch Reisende den Demonstranten angeschlossen. Mit der sarkastischen Bemerkung "Die Karawane zieht weiter, der Bahnhof bleibt zu" lösten die Demonstrierenden die Versammlung gegen 21.45 Uhr auf. |