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Text von Freitag, 13. April 2007

> k u l t u r<
  
 Feuermacher: Kälte-Drama bei Frühlings-Wärme 
 Marburg * (sts)
Donnerstag (12. April), 20 Uhr: Vor der Waggonhalle herrschen Sonnenschein und angenehme 18 Grad. Im Inneren herrscht der Frost, minus 60 Grad, schneidender Wind und ein einziges graues Nichts. Ein Mann zieht mit seinem Hund durch diese Einöde. Trotz aller Warnungen hat er sich alleine auf diesen Weg begeben. Diese Entscheidung wird er bitter bereuen.
Pruniella Fuchs vom Theater Gegenstand hat Jack Londons berühmte Kurzgeschichte "How to build a fire" ("Der Feuermacher") zu einem "Kälte-Drama" umgewandelt. Als Solo-Darstellerin, Texterin und Regisseurin in Personalunion agiert Fuchs auf der Bühne. Unterstützt wird sie lediglich von dem Musiker Michael Protzen, der mit seinen Klang-Improvisationen die klirrende Kälte, den heulenden Wind und das prasselnde Feuer zu generieren sucht.
Das ist kein leichtes Unterfangen. Das äußerst spartanisch ausgestattete Stück stellt hohe Ansprüche an die Imaginationskraft der Zuschauer: In luftiger Sommerkleidung die Kälte spüren, die lebenserhaltende Kraft des Feuers fühlen, die Verzweiflung des nahenden Erfierungstods empfinden. Eindringlich tönt des einsamen Wanderers Stimme durch den heulenden Wind. Seine Überzeugung, der rauen Wildnis widerstehen zu können, schwindet zusehends.
Durch eine Unachtsamkeit wird seine Kleidung durchnässt. Alle Versuche, ein Feuer zu entzünden, scheitern. Ebenso misslingt der Versuch, den Hund zu töten, um sich in seinem Blut zu wärmen.
Panisch rennt der Mann weiter, bis er einsieht, dass er vor dem Tod nicht fliehen kann. Der Mann erfriert. Der Hund erreicht das rettende Lager.
Wie auch bei Londons berühmten Romanen "Der Ruf der Wildnis" oder "Wolfsblut" steht der Konflikt Mensch - Natur im Mittelpunkt des Stücks. Der ignorante und sich selbst überschätzende Mensch scheitert. Das angepasste und kluge Tier überlebt.
Eingewebt in dieses Spannungsfeld sind Bruchstücke aus Londons unsteter Biografie. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, als Austernpirat, Fabrikarbeiter und Seemann sich durchs Leben schlagend, vom Alkoholkonsum gezeichnet und vom südlichen Pazifik träumend, wurde London nur vierzig Jahre alt. Ein erfolgreicher Autor war er früh. Ein kranker und depressiver Mensch blieb er dennoch.
Diese biografischen Bruchstücke kommen innerhalb des Stücks jedoch nicht zu ihrer Geltung. Zu versprengt, ergeben sie kein Gesamtbild.
Und die Feuermacherin?
Pruniella Fuchs besitzt eine außergewöhnliche Bühnenpräsenz. Heinrich von Kleists "Penthesilea" mimte sie mehr als eindrucksvoll, wogegen beim Feuermacher der Funken lange nicht überspringen wollte. Erst zum Höhepunkt des Stücks hin erreichte die schleichende Kälte auch spürbar die Zuschauer.
Mit einem Frösteln verließ man schließlich den Saal. Angesichts des immer noch warmen Abends hatte das Stück also unversehens doch noch seine Wirkung entfaltet.
 
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