Text von Donnerstag, 12. April 2007
Blinde Begegnung: Kein Essen beim Inder? | ||
Marburg * (atn)
Seit 13 Jahren lebt Daniel Deister in Marburg. Der Jurist ist blind. Am Montag (9. April) machten er und seine Begleiter eine unangenehme Erfahrung in einem Marburger Restaurant. Seitdem fragt sich Deister nach den Gründen für den Vorfall. Er hätte sich eine kooperativere Bedienung gewünscht. Am Ostermontag war Deister mit seiner Freundin und einem befreundeten Ehepaar samt Schwiegervater und Baby in Marburg unterwegs. Den Spaziergang wollte die kleine Gruppe mit einem Abendessen abschließen. Neugierig und erwartungsvoll steuerte sie deswegen das noch neue Indische Restaurant "Iadiara" an der Elibethstraße an. Laut Deister war das kleine Lokal noch relativ leer, als er es gegen 19.15 Uhr betrat. Trotzdem bekamen er und seine Freunde zwei runde Tische zugewiesen, an denen sie nicht einander zugewandt sitzen konnten. Mit der ersten Getränkerunde klappte alles nach Wunsch. Die Erfrischungen trudelten bereits gegen 19.30 Uhr bei den Gästen ein. Doch danach lies sich die männliche Bedienung nicht mehr blicken. "Während wir vergeblich auf den Kellner warteten, wurden andere Gäste sehr wohl bedient", beschrieb Deister die Situation. Bis 20 Uhr habe die Gruppe gewartet. Dann hielt einer von ihnen die Bedienung an, um die Bestellung aufzugeben. Hier zeigte sich der Kellner jedoch wenig auskunftsfreudig. Deister und seine Freunde baten um einen kurzen Überblick über die Speisen, erhielten jedoch nur sehr knappe Antworten auf ihre Nachfragen nach den deutschen Benennungen der Gerichte. Dass der Ober sich beim Verkauf seiner Speisen mit solch spartanischen Antworten wie "ja" oder "nein" erscheint in einem Gastbetrieb, spreche nicht für die Gastlichkeit dieses Betreibs. Der Kellner selber erklärte seine knappen Antworten auf eine Nachfrage hin damit, dass er bei vollem Haus seinen Gästen schlecht mehrere hundert Posten der Katen vorlesen könne. Das hatten Deister und seien Begleiter aber auch nicht von ihm erwartet. Ein grober Überblick wäre hier schon ausreichend gewesen. Das ist in vielen Marburger Restaurant mit blinder Kundschaft auch zu einer gern erbrachten Serviceleistung. Die Bestellung ging kurz darauf dennoch in Richtung Küche. Als aber gegen 21 Uhr immer noch nichts Essbares auf den Tischen stand und auch die zweite Getränkrunde nur lückenhaft angekommen war, wurde Deister ungeduldig und machte sich zum Abmarsch bereit. Die Rechnung wurde kommentarlos gebracht und die Summe cent-genau beglichen. Mit einem ironischen Dank "für das wunderbare Essen" war der Ostermontag-Abend für Deister gelaufen. Er fragt sich nun nach den Motiven des Kellners für die ihm und seinen Freunden widerfahrene Behandlung. Der Kellner wurde später auf den Vorfall angesprochen und erinnerte sich gut daran. Nach seinen Angaben sei das Restaurant an jenem Abend bis auf den letzten Platz gefüllt gewesen. So habe er alle Hände voll zu tun gehabt. Da die Gruppe Blinder sich in seinen Augen über die Bestellung lange nicht im Klaren war und er keine Zeit zum Karte-Vorlesen gehabt habe, habe sich alles entsprechend lange hingezogen. Der Inhaber des "Iadiara" ist Christ. Bei dem Wort Diskriminierung schreckte er in einem späteren Gespräch regelrecht zusammen. Dennoch fühlten sich die blinden Gäste durch das Verhalten des Kellners diskriminiert. Deister und seine Begleiter hätten sich mehr Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft gewünscht. Dass Deister den Fall öffentlich gemacht hat, kann vielleicht trotzdem für alle Wirte ein Wink sein, sich über die Bedürfnisse sehbehinderter und blinder Gäste Gedanken zu machen. Als Bedienung muss man diese Gäste schon von sich aus ansprechen, um ihnen das Gefühl zu geben, dass sie willkommen sind. | ||
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