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29.07.2000 * (CcM)
"Ich liebe eigentlich nur Bach", sagte der Liedermacher Wolf Biermann: "Ich liebe erstens Bach, zweitens Bach, drittens Bach – na und Bach!"
Diesen Eindruck konnte man am Freitag (28 . Juli) an und in der Lutherischen Pfarrkirche auf ganz besondere Art gewinnen. Der ganze Tag stand im Zeichen des am 28. Juli 1750 verstorbenen Barock-Komponisten und wurde mit einem großen Programm gefeiert.
Beim "Frühstück mit Bach" waren trotz der frühen Stunde etwa 50 Besucher anwesend, als der Marburger Organist Ulrich
Mayer-Uhma sein Orgelkonzert mit einer Toccata (und Fuge) in d-moll begann. Die Kirche war absichtlich nicht geheizt worden. Das sollte verhindern, dass sich die Orgel verstimmt.
Das frische energische Spielen des Organisten ließ die alten Bachwerke lebendig werden, und als während des Konzerts populärere kurze Stücke aus dem Orgelbüchlein erklangen, füllte sich die Kirche allmählich. Dur wechselte mit Moll und langsame Stücke mit schnellen. Der donnernde Applaus der am Ende des "Frühstücks" sehr zahlreichen Konzertbesucher zeigte, dass die "Bach-für-Morgenmuffel-Veranstaltung" ein voller Erfolg war.
Beim zweiten Frühstück direkt an der Pfarrkirche im Kerner oder auch mittags bei "Bach macht Pause" gab es die Möglichkeit, sich bei Kaffee, Kuchen und Würstchen zu entspannen und sich zu unterhalten.
Weitere Programmpunkte waren die Bach-Matinee mit Veronika Weber aus Marburg und "Appetit auf Bach" mit Peter Reulein aus Frankfurt, der unter anderem seine eigene Improvisation "Eine epochale Suite über B-A-C-H" präsentierte, sowie "Bach mit Posaunenschall", bei dem das Christenberg-Blechbläserensemble Kantaten und Choralsätze interpretierte.
Ein Ereignis der ganz besonderen Art war die Veranstaltung "Bach
Gesungen" am frühen Abend.
Landeskirchenmusikdirektor Martin Bartsch aus Marburg leitete eine "Chorprobe" in lockerer Atmosphäre, bei der alle Besucher mitmachen konnten. Die Teilnehmer waren von der Idee fasziniert und sangen die 4-stimmigen Choralsätze begeistert und meist problemlos vom Blatt mit. "Sie können das ja gut. Sie ahnen ja dann, wo Sie einsetzen müssen", ermutigte Bartsch die engagierten Sänger. Zwischen den Stücken kommentierte er außerdem die Technik oder Entstehungsgeschichte des jeweiligen Stückes oder verwies auf die raffinierte Interpretation des Textes durch Bachs Komposition.
Ein weiterer Höhepunkt war eine szenische Lesung des Theaterstücks "Mögliche Begegnung der Herren Bach und Händel im Jahre 1747" von Paul Barz: Georg Friedrich Händel (Kai Hebel) kommt aus London zu Besuch nach Leipzig und lädt Johann Sebastian Bach in den "Thüringer Hof" ein, um zu sehen, warum ein solches Genie so "erfolglos" ist. Bach (Roland Schmidt) kommt der lang ersehnten Einladung nach, um zu sehen, wie eine solche "Mittelmäßigkeit" so viel Erfolg haben kann. Beide geben im Lauf des Gesprächs zu, dass sie einander schon immer beneidet haben. Kritiker sagen zu Händel: "Lass die Hände weg von Kirchenmusik. Dazu braucht man einen anderen Gott als sich selbst.
Mal ist Händel, mal Bach der Souveränere. Die Gespräche drehen sich um Ruhm und Kunst, Anspruch und Geld, Einsamkeit und Flucht. Händel beispielsweise schreibt Opern grundsätzlich nach Schema F: "Liebt einer – Dur, stirbt einer – Moll. Und am Schluss immer ein Chor." Bach dagegen liebt es, in seiner Komponierstube Musik für sich selbst zu schreiben und ( iener Händels (Guido Schmidt) macht als "Kommentator" einen Großteil der Handlungskomik aus.
Im Gespräch thematisierte Stücke wie beispielsweise die Matthäuspassion oder das Messias-Halleluja wurden eingespielt. Die Frage "Was wäre, wenn..." wurde am Ende auf sehr vergnügliche Weise beantwortet. Bach und Händel entschließen sich zu einem Duell mit klassischen Stücken, um sich bereits zu Lebzeiten ihrer ewigen Feindschaft zu versichern. Mit freundschaftlichem Enthusiasmus trinken sie auf die Entscheidung, dass Händel zur Eröffnung des Wettstreits Bachs Matthäuspassion in London aufführt, während Bach seinerseits Händels Messias in der Leipziger Thomaskantorei zu Gehör bringen will.
Selbst das vielseitige Programm des überaus gelungenen Gedenktages konnte nur eine Ahnung von der Vielfalt der Musikgenres vermitteln, die Bachs Lebenswerk ausmachen. Wie der spanische Cellist Pablo Casals sagen würde: "Bach selbst ist die Quintessenz aller Musik."
18.07.2000 * (CcM)
Kennen Sie jemanden, der sich den Mund nicht so leicht verbieten läßt?
Aus Anlaß des 480. Jahrestages der Wormser Reichstagsrede von Martin Luther wird am 21. April 2001 zum dritten Mal der mit 20.000 DM dotierte Preis "Das unerschrockene Wort" verliehen. Gestiftet wurde diese Auszeichnung von zwölf Lutherstädten, zu denen auch Marburg gehört. Der Preis soll an das mutige Auftreten Martin Luthers vor dem Reichstag im April 1520 erinnern.
Würdigen wollen die Lutherstädte damit Personen, die sich nicht dem weit verbreiteten Opportunismus anpassen und auch vermeintliche Autoritäten nicht scheuen, die eine Bedrohung der Meinungsfreiheit darstellen.
Kandidaten für den Preis sollen Leute sein, die in einer besonderen Situation oder auch "über einen größeren Zeitraum hinweg in Wort und Tat für die Gesellschaft, die Gemeinde, den Staat bedeutsame Aussagen gemacht und gegenüber Widerständen vertreten haben."
Bisherige Preisträger waren der Theologe und Bürgerrechtler Richard Schröder und der Kirchenrebell Hans Küng.
Wenn Sie eine oder mehrere Personen, ob prominent oder nicht, benennen möchten, die diesen Preis verdient hätten, können Sie bis zum 31. August Ihre Vorschläge bei Oberbürgermeister
Dietrich Möller
einreichen.
14.07.2000 * (FJH)
Die Frau auf den Stelzen stürzt ab. Auf einer Leinwand brennt ein Stoß Heu. Langsam baut sich der Heustapel aus den Flammen heraus auf; das Feuer geht aus und der Heuhaufen ist nun unversehrt. Eine Frau im Rollstuhl stößt an ein Brret, woraufhin ein ganzer Bretterstapel laut krachend zusammenfällt.
"Val" - das niederländische Wort für "Fall" - heißt das neue Stück des Grif-Theaters aus Amsterdam . Am Donnerstagabend (13. Juli) fand die Deutschland-Premieere dieser Produktion im ehemaligen Obi-Markt an der Siemensstraße nördclich des Marburger Hauptbahnhofs statt.
Fünf Akteure - drei Frauen und zwei Männer - beeindruckten dabei durch ihr darstellerisches Können. Das von Jan Taks inszenierte Stück benötigte eine ganze Weile, bis es den Betrachter dann doch einfing und mit humorvollen, nachdenklichen und vielen allegorischen Szenen von einem Zusammenbruch zum nächsten Neubeginn führte.
Beeindruckend wird die Aufführung spätestens dann, wenn die Mitspieler Musik machen, indem sie Holzklötzchen in genau festgelegten Abständen auf den Boden fallen lassen. So entsteht eine kleine Melodie mit besonderem Spannungseffekt.
Anekdoten vom Pferderennen, dem Hengst auf dem Weg zur Insel über den zugefrorenen See und die wunderschöne Story vom Geislein un dem bösen Bauern, der ihr den Wolf noch unbedrohlich erscheinen läßt, erheiterten das Publikum. Rezitationen in Englisch, niederländisch, holländischem Deutsch und Schwyzer Dütsch gingen schließlich in ein gleichzeitiges rhythmisches Rezitieren in diesen Sprachen über. Tränen, Trauer, einstürzende Bretter!
Dann liegen alle auf dem Totenbett. Doch plötzlich stehen sie auf und wandeln umher. Aus einer brennenden Bettstatt erhebt sich eine Figur wie Phönix aus der Asche. Am Ende verbrennt die Leinwand mit dem Konterfei der Sängerin.
Zögernder, dann aber doch zu tosendem Beifall aufbrandender Applaus beendete den Auftritt der Amsterdamer Truppe, deren schauspielerische Leistungen einen Besuch wert sind. Das anfangs eher gekünstelt daherkommende Stück über Zerstörung und Neuaufbau, Bruch und Umbruch, das Ende als Neubeginn und den Schluss als neue Chance entwickelt erst allmählich seine Stärken. Aber die primitiven Zuschauerbänke im ohne Rückenlehne verhindern wirklichen Genuss ebenso wie die arbeitnehmerfeindliche Anfangszeit von 21 Uhr. Aber die Tortur im Baumarkt für 25 DM Eintritt lohnt sich trotzdem!
Bis zum 23. Juli ist "Val" jeden Abend ab 21 Uhr im ehemaligen Obi-Baumarkt an der Siemensttraße (Bushaltestelle "Nödelweg") zu sehen.
04.07.2000 - (FJH)
Einen Song des am 4. Juli 1900 geborenen Jazzmusikers "Satchmo" Louis Armstrong hat die Marburger Sängerin Rose Nabinger auf ihrer neuesten CD "Black And Blue" umgetextet.
"My only sin is my skin" und "I'm white inside", sang die Jazz-Legende in seinem Song "Black and Blue.
"Dieser Text ist völlig unakzeptabel", meint Rose Nabinger. Deshalb hat sie für ihre, gemeinsam mit der "Kreisjazzwerkerschaft" produzierte, CD diese Zeilen durch "There is no sin in the colour of a skin" ersetzt. Was hierzulande jedoch kaum jemand weiß: Man darf den Text eines Popsongs nicht beliebig ändern. Deshalb holte sich Nabinger über die EMI Music Publishing die Erlaubnis der Erben der Urheber ein. Nun darf nicht nur sie, sondern auch jedeR andere SängerIn diesen neuen, politisch korrekten Text singen.
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29.07.2000 by
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