in Partnerschaft mit
30.11.2000 * (spa)
Der gespannte Besucher betritt das Haus am Gerhard-Jahn-Platz 5 durch einen Windfang und wird erst einmal durch Geräusche und Gerüche irritiert, die stark an ein Schwimmbad erinnern. Das sterile, gekachelte Ambiente des Foyers verstärkt diesen Eindruck zusätzlich. Sollte er sich etwa geirrt haben und dies ist gar nicht der neue Ausstellungsort des Marburger Kunstvereins?
Aber nein! Schon eilt eine freundliche Dame auf ihn zu, heißt ihn willkommen und reicht ihm zum besseren Verständnis eine kleine Broschüre, in der alle Exponate kurz erläutert sind. Darin erfährt der Besucher, daß es sich bei seinem ersten Eindruck schon um Kunst gehandelt hat: Nino Bachmann, eine Marburgerin, erinnert mit ihrem Sound-work an das Luisa-Bad, welches an eben dieser Stelle dem Bau der
Kunsthalle
weichen musste. Sie ist eine der 28 Studierenden der Kasseler Kunsthochschule, die ihre Werke unter dem Titel "Das erste Mal" ausstellen. Die erste Präsentation in der neuerrichteten Kunsthalle geht am heutigen Donnerstag (30. November) zu Ende.
Das gemeinsame Motto haben die Künstler sehr unterschiedlich umgesetzt: Der Besucher kann sich an Fotografien und Malereien erfreuen oder vor Video-Installationen und Objekten staunend rätseln.
Da gibt es beispielsweise im Großen Saal des Erdgeschosses eine riesige rosafarbene Skulptur. Erst langsam dämmert den Betrachtenden, dass hier angewinkelte Ellbogen und Kniekehlen ihre Abdrücke hinterlassen haben. Die Keramikerin Petra Abel läßt durch diese Hohlformen ex negativo eine menschliche Figur entstehen, die uns vor Augen führt, wie unbekannt uns das scheinbar Bekannte ist.
Der Reiz des Unbekannten mag auch einer der Gründe dafür sein, warum die neue Kunsthalle wie auch das unmittelbar benachbarte Großkino "Cineplex" sich bislang eines großen Besucherandrangs erfreuen konnten. Trotz des schändlichen Frevels am Luisa-Bad, einem architektonischen Kleinod inmitten des Stadtzentrums, sind die neue Kunsthalle und die benachbarte "Neue Mitte Marburgs" insgesamt doch ein Gewinn für die Stadt.
27.11.2000 * (sfb)
"Am Anfang war das Nichts oder das Wort oder vielleicht doch das Licht? Nein, diesmal war es das Chaos auf den Bühnen des
Hessischen Landestheaters
Marburg. Nachdem es sich geordnet hatte, tauchten die Schauspieler aus ihren Verstecken auf: Peter Liebaug, Peter Radestock und Frank Damerius. Am Samstagabend (25.November) führten die Künstler das zahlreich erschienende Publikum auf einer amüsanten Spritztour durch die zwei Etappen der Bibel. Wer meint das Programm "Die Bibel: Die ganze Heilige Schrift (leicht gekürzt]" sei so langweilig wie ein schlechter Religionsunterricht, der irrt gewaltig. Nach einer Vorlage von Adam Long, Reed Martin und Austin Tichenor zerrten die Schauspieler mit einer raffinierten Sprachakrobatik a la Monty Phyton die Bibel respektlos auf den Boden der profanen Tatsachen. Die "Genesis" wurde mit der gleichnamigen Rockgruppe und dem Engel "Pater Gabriel" verglichen. Und was machte Eva, als sie kackerte: Klar, sie brütete etwas aus: Kai(n) und Abel. Unter der Oberfläche unterhaltsamer Wortkombinationen wurde auch Kritisches hörbar.
Beim Sündenfall beispielsweise machte man Anleihen bei den Brüdern Grimm. Diese tauchten auf, nachdem Gott die Schlange an die Wand warf. Aus ihr sprach auch die böse Hexe ihr "Knusper-Knusper-Knäuschen". Ist der Sündenfall am Ende doch nur ein Märchen? Mit ebenso kritischen Anklängen führte der Streifzug durch die Bibel natürlich nicht an Abraham, dem Stammvater des jüdischen Volkes, vorbei. Als er auf Gottes Wunsch hin seinen Sohn Issak opfern mußte, lenkt Gott ein mit den Worten: "Ich habe doch nur Spaß gemacht, dass ihr Fundamentalisten immer so humorlos sein und alles wörtlich nehmen müßt."
Auch Parallelen zur heutigen Zeit blieben den Zuschauern nicht erspart: Per handy hat die hohe Priesterschaft die Kreuzigung des politisch unkorrekten Jesu gemanagt. Der Statthalter Pontius Pilatus gibt in sein O.K., betont aber, dass er seine Hände in der Unschuld Schweizerischer Neutralität wasche.
Umgekehrt mußte die Bibel als Sprachrohr für leichte Gesellschaftskritik an regionalen Gegebenheiten herhalten. Die von der Pressestelle des Sinai veranlassten Gebote, die Moses in einem deal mit Gottvater auf zehn heruntergedrückt hat, sah zum Beispiel folgendes vor: Gott der Herr verfrachtet die Studenten Marburgs zu seiner Rechten in die Villen des Schloßbergs und diejenigen zu seiner Linken in die Wohnheime. Auch Kritik an der eigenen Institituion blieb nicht aus:
Nachdem der Engel des Herrn ins Geschäft mit Gott gekommen ist, veranstaltete er eine Auktion. Wer hat das größte Leid?, lautete die Frage. Nach dem die zur Salzsäule erstarrte Frau Lots sowie Daniel, der in die Löwengrube gefallen ist, nicht mehr bieten konnten, gewann ein besonders Leidgeprüfter: der Besitzer eines Premienabonnements des Landestheaters.
Das ist allerdings kein Grund, die nächste -sicherlich sehenswerte - Vorstellung nicht zu besuchen. Denn das Publikum tobte sichtlich dankbar über dieses "Geschenk des Himmels" und war fasziniert von den wandlungsfähigen Schauspielern, die ihr ganzes Können unter Beweis stellten.ÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜ€Ö
26.11.2000 * (sfb)
"Bissig, gnadenlos, stimmgewaltig" oder "die Finger in die Wunden legend", so oder ähnlich lauten die Worte, die das Kabarett "Kontrastmittel" über sich in der Presse lesen muß. Was könnte man sonst noch schreiben über den Freitagabend (24. November), an dem diese lustige Truppe ihr Programm "Wackeln im Sturm" in der Waggonhalle "zum Besten" gab.
"Nomen est omen". Kontrastreich setzten die Künstler das Thema "Wahrheit und Lüge" in seinen vielfältigen Variationen gnadenlos um. Im Streifzug durch talkshows oder diverse Fachbereiche der Uni wackelten sie noch ein bißchen unbeholfen, aber gnadenlos in die Fußstapfen ihrer vielen Vor-gänger. Begleitet von großem Gelächter führte der witzige Gänsemarsch durch die Institutionen schnurstracks zu Frau Prof. Dr. Müller. Diese hat in einem Vortrag mit skurillen Wortverdrehungen für die Drittmittelfinanzierung - ausgerechnet für den Fachbereich Theologie - geworben. Als verlogen wurden auch eine "Germanistikerin" und ein paar coole AKW-Gegner oder einige ebenso abgedrehte Philosophiestudenten entlarvt. Besonders witzig fand das Publikum des guten Geschmacks auch die Überlegung, ob man links sein muß, um unangenehm zu riechen, oder man schon riechen muß, um links zu werden." Sichtlich belustigt war es auch darüber, dass das girly "Mandy" in einer talkshow bekennt, es mit Schnittlauch zu treiben.
Damit nicht genug: Im Kontrast zu diesen überaus witzigen Darbietungen gab es zudem viel abgedunkelten Raum für die besinnliche Variante der kabarettistischen Gesellschaftskritik. In allerding nur scheinbar tiefschürfenden Worten wird die abgelutschte Weltschmerzproblematik gnadenlos auf die Spitze getrieben. Mit einer gehörigen Portion an unfreiwilliger Selbstironie gelang es dem sogenanntem "Klappsmühlenkafka", einer Kellerassel das Leben und die Menschen da draußen zu erklären. Mit seinen ersten lyrischen Gehversuchen stellt der unverstandene Poet die Welt da draußen - wie kann es anders sein - als verlogen und spießig bloß. Bei soviel überzeugender Schauspielkunst des Kabarettisten ist man gar verführt zu glauben, er halte seine pubertären "Ergüsse" tatsächlich für gelungen. Einsichten, dass der Tod nicht das Leben beendet, - nicht wenige sterben bereits im Leben"- hinterließen beim schweigenden Auditorium dann richtige Betroffenheit. Poh, ey.
Auch sonst schien das Publikum nicht zu merken, dass die Truppe mit ihrem eigenen Genre "gnadenlos" kokettierte. Ein Rest von bangem Zweifel allerdings bleibt: war "Kontrastmittel" sich dessen wirklich bewußt? - Beschiss ist eben auch nur Verriss, oder umgekehrt?
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23.11.2000 * (sfb)
"Puschkin" gibt es nicht nur als Wodka in Kaufhausregalen. Puschkin lautet auch der Name eines berühmten Dichters russischer Zunge. Dass man sich an dessen Werke nicht minder berauschen kann, soll die Ausstellung "Moskau zur Zeit Puschkins" um 1830 unter Beweis stellen.
Auf Initiative der
Universitätsstadt Marburg
in Verbindung mit dem "Komitee der internationalen Kulturwochen" hin soll sie vom 2. Dezember 2000 bis 27. Januar 2001 dazu beitragen, den in Rußland hochgeschätzten Alexander S. Puschkin der Marburger Öffentlichkeit bekannt zu machen. Deshalb präsentiert die Ausstellung im Foyer des Erwin-Piscator-Hauses (Stadthalle) zeitgenössische Bilder mit Szenen aus Puschkins Leben um 1830. Zitate aus des Dichters Feder sind ihnen beigeordnet.
Nach Aussagen von Gangolf Reccius, Mitglied des "Kommitees der Internationalen Kulturwochen" stammen die insgesamt 20 Bilder in Öl, Kupferstich, Aquarell und Lithographie aus dem Puschkin-Museum Moskau. Dass sie ein Geschenk und keine bloße Leihgabe des dortigen Museumsdirektors Evgeniy Bogatyrev sind, wertete Oberbürgermeister
Dietrich Möller
als eine politische Geste des Entgegenkommens. Der Grund dafür seien bleibende Eindrücke, die das "Kommitee der Internationalen Kulturwochen" mit seinem Programm "Tage deutscher Kultur 1999" in Moskau hinterlassen hat, so Martin Trieschmann, Mitglied des Komitees.
Man darf mit Recht darauf gespannt sein, wie die Stadt Marburg ihr die Eröffnung gestalten wird. Geplant wurde nämlich etwas ganz Besonderes: Neben Reden zur Person und den Werken Puschkins besorgen abwechslungsreich gestaltete Darbietungen von Wolfgang Amadeus Mozart und Boris Pasternak den musikalischen Rahmen. Damit nicht genug: Puschkins Drama "Mozart und Salieri" wird von zwei Schauspielern des Hessischen Landestheaters aufgeführt. Der Museumsdirektor Bogatyrev wird höchstpersönlich durch die Ausstellung führen. Als besonderen Ehrengast erwarten die Veranstalter eine Ur-urenkelin Alexander Puschkins. Das ist bestimmt ein Grund, mit dem gleichnamigen Wodka anzustoßen.
19.11.2000 * (sfb)
"Dein Leben sei frei von Sorgen und Nöten. Des Morgens Erröten, des Abends Erblassen soll dir hinterlassen stets Glück." Außerdem: Gesundheit, Schönheit, Erfolg, Fröhlichkeit, Reichtum, Liebe und Gerechtigkeit. Wer würde diese Geschenke ausschlagen ? Was aber passiert, wenn man all das tatsächlich besitzt? Davon weiß die Prinzessin "Rose" (Erika Spalke) ein Lied zu singen, mit dem der Komponist Marc Dennewitz neben vielen anderen Liedern das Märchen "Dornröschen" musikalisch untermalte. Passend zur Vorweihnachtszeit feierte es am Samstagnachmittag (18. November) im Erwin-Piscator-Haus (EPH) vor hellauf begeisterten Kindern seine Premiere.
Norbert Ebel interpretierte das bekannte Märchen der Brüder Grimm mit nur wenigen, aber beachtenswerten Abweichungen.
Anders als in der Vorlage probt die pubertierende Prinzessin den Aufstand. In rockigen Rhythmen schreit Rose ihren Unmut über das langweilige Leben am Königshofe heraus. Überdrüssig der einst von weisen Frauen (Ronald O. Staples und Bernd Kruse) in die Wiege gelegten guten Gaben, will sie toben, auf Bäume klettern, Freunde haben oder über die Mauer spucken. Voller Sehnsucht will das wohlbehütete Königskind ausbrechen aus ihrem goldenen Käfig, - sei es nach Schweden, auf die Gallapagos-Inseln, nach Washington oder Thailand.
Woher hat sie das nur - dieses Rebellische? über die bürgerliche Beschränktheit ihrer Eltern war auch die Hexe ungehalten, die die Prinzession dereinst mit einem Fluch belegte.
Bekanntlich wird dieser todverheißende Fluch aber abgemildert: nach Berühren einer Spindel muß Rose einen langen Schlaf halten. So wie die Hexe ausgeladen wurde, die dann doch kam, bleibt auch das Fernhalten von spitzen Gegenständen trotz strenger Weisung des Königs erfolglos. Rose und der gesamte Königshof verfallen in einen tiefen Schlaf.
Nachdem er sie wach geküßt hat, stellt Rose ihren untypischen Prinz mit Pickeln und fettigen Haaren ihren ebenfalls aus dem Schlummer erwachenden Eltern vor. Sie sagt: "Das ist der, der mich wachgeküßt hat, und jetzt wollen wir die Welt entdecken."
Der Aufbruch gelingt aber nur nach dem Motto "Geduld bringt Rosen":
Der ungestüme Prinz muss geduldig warten, und die Prinzessin hundert Jahre schlafen, bis beide ihre Träume verwirklichen können.
Die kindgerechte Darstellung dieser Aussage hat es verstanden, die möglichweise erlahmende Aufmerksamkeit der kleinen Zuschauer immer wieder zu wecken. überzeugende schauspielerische Leistungen, rockige Rhythmen und witzige Dialoge machen das sehenswerte Stück zu einem vergnü glichen Erlebnis nicht nur für Kinder.
16.11.2000 * (sfb)
Was machen Menschen kurz vor ihrem Ableben? In der Regel nicht mehr viel. Schon möglich, dass der eine oder andere bei dem Gedanken an das Jüngste Gericht noch schnell seine Sünden bereut. Dass es auch anders geht, schilderte der Marburger Anwalt Bernd Aretz in seinem autobiographischen Roman "Notate". Vögelnd, saufend und kiffend stand er seinem aidskranken Liebhaber "Teufel" in seiner letzten Lebensphase bei. Anstößig und exzessiv, aber überaus liebevoll ging es auch in anderen Passagen zu, die Aretz im
Theater neben dem Turm
(TNT) im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Schön am Mittwoch", am gleichnamigen Abend las.
Immer wieder drehte sich sein Roman um den allgegenwärtigen Tod von Aidskranken, der unmittelbar bevorstand oder vielfach betrauert wurde. Die immer wieder beschriebene Tuchfühlung mit dem Tod und dem sterbenden Freund Teufel kam dem "memento mori" gleich. Dadurch konnten die beiden Schwulen ihre dem unfreiwilligen Ende nahende Beziehung bewußter denn je und in vollen Zügen bis auf den "letzten Tropfen" auskosten.
Aretz entdeckte dabei ein intensives Bedürfnis nach "alles verströmender Auflösung" des "Teufelchens", das ihn zutiefst berührte. Auge in Auge mit dem Tod entstanden zudem außergewöhnliche Gespräche von "seltener Intimität", die Aretz als Bestandteil wahren Glücks betrachtet. Mit dem unwiderstehlichen "Charme der Dekadenz" kündete der ebenfalls aidskranke Autor nicht nur vom Tod als Grenze des Lebens.
In amüsanten wie auch traurigen Schilderungen hatten exzentrische Ausschweifungen auch in den Phasen des Zusammenlebens jener Schwulen einen festen Platz, als der Tod noch in weiter Ferne lauerte. In entgrenzender Sexualität und Liebe, die den Roman wie einen rosaroten Faden durchziehen, schuf sein Liebhaber Teufel tagtäglich den "Rahmen für eine Reihe von Schamlosigkeiten". Darin konnte sich der Autor dann "völlig unkontrolliert" und sämtliche Barrieren sprengend ergehen.
Sein überaus starkes Interesse für Teufel überwand auch sämtliche Grenzen seines guten Geschmacks. Daran stößt sein Liebhaber - vor allem am Anfang der Beziehung - mit Tigerkissen, einem tuntenhaften Kleidungsstil und einem befremdlichen Sprachjargon."Ey, Alter, willste mit mir vögeln?", hörte er Teufel zu den Passanten auf dem Frankfurter Bahnhof sagen. Früher wäre er, so Aretz, nach all dem gegangen.
Obschon Aretz diesen Lebensstil durchaus reizvoll fand, war er ihm aber auf Dauer doch zu anstrengend. Diese in Extremen schwelgende Leidenschaft zu einem völlig "Abgedrehten" konnte der Rechtsanwalt und Notar unmöglich in seinen normalen Alltag integrieren. Deshalb hat Aretz diese Beziehung auf zeitlichen und räumlichen Abstand gehalten. Sein "Hauptnebenverhältnis", wie er es nannte, dauerte nur zehn Jahre, bis Teufel dann starb. Dessen Tod machte das Buch "Notate" möglich, das unter dem Motto "ich lebe, ich liebe, ich träume ..." geschrieben ist.
14.11.2000 * (sap)
Welches Kind würde nicht gerne eines Tages vom Gleis neundreiviertel aus in den Hogwarts-Express steigen, um in der gleichnamigen Schule zusammen mit
Harry Potter
und seinen Freunden das Zaubern zu lernen?
Wenn auch nicht in Hogwarts, so bietet die Kreisjugendpflege im Kreisjugendheim Weimar-Wolfshausen einen Einführungskurs "Einmaleins der Zauberei" an. Der Zauberkünstler Stefan Behr-Reschke aus "Abras Wunderkabinett" wird am 25. und 26. November die Geheimnisse der Zauberei lüften - von Kunststücken mit Spielkarten und Seilen über die Kunst der Ablenkung bis zur Präsentation.
Der Zauberkurs für Anfänger kostet 10 DM und es müssen 15 DM für Materialkosten entrichtet werden. Die Teilnehmenden werde gebeten, Schere, Paketschnur, Skat-Kartenspiel, Zeitung und Klebstoff mitzubringen, allerdings keinen Besen, denn "Quidditch" soll hier nicht geübt werden. Anmelden können alle diejenigen, die sich in Harry Potters Fußstapfen begeben wollen, bei der
Kreisjugendpflege.
13.11.2000 * (sfb)
Wer die Frankfurter Buchmesse verpaßt hat, fand von Freitag (10.November) bis Sonntag (12. November) Trost in Marburg. Auf eine Initiative des Kulturamts der Stadt Marburg und der hessischen Verleger - und Buchhändler-Verbände hin bestand Gelegenheit, "Die Buchmacher von Marburg" im überschaubaren Rahmen des historischen Rathauses und in aller Ruhe kennenzulernen. Nicht nur der Leser, auch die Verleger kamen auf dieser "Buchmesse im Kleinformat" auf ihre Kosten. Neben Informationsmaterial über das Verlagsangebot präsentierten sie ihre aktuellen Erzeugnisse.
Egon Vaupel, Bürgermeister und Kulturdezernent der Stadt Marburg meinte hierzu: "Ich sage das ohne schulterklopfenden Lokalpatriotismus: Marburger Verlage leisten unter manchmal schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen einen wichtigen Beitrag zur literarischen und wissenschaftlichen Lesekultur des Landes."
Letzteres wird daran deutlich, dass die 14 Verlage je unterschiedliche Themenschwerpunkte aufweisen. Ihr Spektrum reicht von "Schlüsselfragen des Lebens" über praktische Theologie und Religionswissenschaft bis hin zu Bauwesen oder Kindern. Manch ein Autor bekam auf dieser Ausstellung sogar die Chance, den richtigen Adressaten für seine Werke zu finden. Junge Wissenschaftler können beispielsweise ihre Dissertationen beim Tectum Wissenschaftsverlag oder dem Biblion-Verlag publizieren. Es gibt nicht nur Nischen für bestimmte Themen. Auch literarische Erzeugnisse - ob in Prosa oder Lyrik werden bei Eignung in fast allen Marburger Verlagen veröffentlicht. Außer den Verlagsinformationen fanden Lesungen statt, so die von Gerd Kanke zu "Friedrich Schiller im Sperrgebiet", veröffentlicht im Wenzel-Verlag. Zu einem langen Kubrick-Abend lud der Schüren-Verlag am Freitag ins Lichtspieltheater "Palette" ein.Die inzwischen schon fast Tradition gewordene Ausstellung hielt l ein breit gefächertes Angebot an Verlagen und reichlich Zeit zum Gespräch bereit. Doch waren es lediglich die Produkte, die den Blicken der Öffentlichkeit zugänglich waren. Unbekannt blieb, was hinter den Kulissen passiert. Was machen die Buchmacher, wenn sie Bücher machen? Bei dem beträchtlichen Wissensdefizit in der Bevölkerung über Verlage hätte man dieser Frage ruhig Rechnung tragen dürfen. Vieleicht im nächsten Jahr?
08.11.2000 * (sfb)
Ein Billardtisch, lärmende Jugendliche, im Hintergrund eine Getränketheke und überall hektische Geschäftigkeit im Foyer des
Congress Centers Marburg. Dann endlich: nach langem Suchen bieten sich dem Kunstinteressierten die Objekte seiner Begierde: Kalligraphien und Malereien in alt chinesischer Tradition. Mit diesen Werken ist die Chinesin Gu Yingzhi einer Einladung der Künstlergruppe PARADOX unter Leitung von B.J. Antony gefolgt.
Sie selbst blieb der Ausstellung fern, - "aufgrund der langen Anreise nach Deutschland" heißt es in einem Flugblatt zur Ausstellung. Als Vizepräsidentin des nationalen Verbandes chinesischer Maler und Kalligraphen, als Präsidentin der Beijing-Tianjin-Shandong Zeichen- und Kalligraphieforschungsgesellschaft sowie als Präsidentin der Tianjin Akademie der chinesischen Malerei und Kalligraphie ist Yingzhi außerdem eine vielbeschäftigte Frau.
Aber was war auf den ausgestellten Bildern, für die sich niemand zu interessieren schien? Katzen! Süße kleine, dicke Kätzchen. Auf jedem Bild eins, mal in grau - mal in gelb. Ob verspielt die Pfote leckend oder verträumt in einen knorrigen Ast beißend - bei all diesen Motiven schöpfte die Chinesin das Kindchenschema nach sämtlichen Regeln der Kunst aus. Damit nicht genug. Zierliche Rosensträucher im Hintergrund treiben es gnadenlos auf die Spitze, so dass der Mutterinstinkt manch eines Betrachters völlig überreizt sein könnte. Fast ist man bei soviel Kitsch gar versucht, ein paar Meter weiter mit den Jugendlichen Billard zu spielen.
Spürt man aber den subtilen Details in den Bildern nach, so fällt doch einiges auf: Neben den wollig-drolligen Tierchen wird auch ein verdorrter Ast erkennbar, oder man sieht, wie ein Kätzchen - gar nicht lieb und süß -ein Insekt jagdt. Außerdem hocken die Katzen in den meisten Fällen auf einem Stein und nicht auf einem weichen Sofakissen. Nicht nur die Aquarelle zeigen diesen Gegensatz von "verspielt" und "streng". Auch die Kaligraphien der Künstlerin, kunstvolle Zeichnungen von chinesischen Schriftzeichen, liefern den ernüchternden Kontrast zu jenen Aquarellen. Die Zeichen wirken streng und eckig, aber stolz und würdevoll. So wie in den bunten Aquarellen Härte erkennbar wird, ist auch Weiches in den Kalligraphien enthalten. Gemeint ist der weiße Hintergrund, auf dem die schwarzen Schriftzeichen machtvoll und überaus ästhetisch in Erscheinung treten. Schade nur, dass eine Erklärung der Schriftzeichen, die ungleich mehr ansprechen als die Katzenbilder, dem Nicht-Sinologen vorenthalten wurde. Sonst hätte dieser vielleicht auch das "familiäre Umfeld tiefer Gelehrsamkeit" ermessen können, aus dem die chinesische Künstlerin stammt.
Wie dem auch sei: Die Kalligraphien und Aquarelle repräsentieren die philosophischen Prinzipien chinesischer Tradition: Yin und Yang - weiblich und männlich, plus und minus. Sie enthalten nicht nur einander, - die wechselnde Reihenfolge, in der die Exponate an den Wänden angebracht worden sind, mag auch auf den ständigen Wechsel und Übergang jener Extreme hindeuten.
"Paradox" heißt auch - wie zufällig - der Name der Künstlergruppe, die diese Ausstellung, welche ohne Titel und Motto ist, noch bis zum 28. Februar 2001 in den Räumen des Congress Centers ausrichtet. Sie ist werktags zwischen 9 und 18 Uhr geöffnet.
05.11.2000 * (sap)
Die Zuschauer betreten das Theater; das Stück scheint schon begonnen zu haben: ein Security-Türsteher sitzt rauchend da, eine Frau inhaliert, ein Telefonat ist zu hören, im Hintergrund. Das futuristisch anmutende Bühnenbild scheint ein Standbild zu sein, auf dem jeder seinen Platz hat. Dann beginnt der Security-Guard, Krims aufzuzählen. "
Hercule Poirrot, Derrick, Sherlock Holmes: man schließe alle Möglichkeiten aus und die, die übrig bleibt, muss die Richtige sein.
Krimis und ihre Strickmuster hatte sich die zunächst nur für drei Tage in Marburg angesetzte Produktion "Krimi" von
German Stage Service
und dem Wuppertaler Musikimprovisationsensamble "Partita Radicale" zum Thema gemacht. Am Freitag wurde das Stück im Theater Neben dem Turm uraufgeführt.
Doch bis auf die einleitenden Worte des Türstehers (Regessieur Rolf Michenfelder) bleibt zunächst unklar, was Krimi ist und was nicht. Skurrile Elemente scheinen sich nicht zu einem Ganzen verbinden zu wollen. Die Akteure betreten die Bühne aus einem Nachtclub heraus; flackerndes Licht und laute Musik beherrscht das Geschehen, wenn die Tür sich öffnet. Die Bühne ist in ein Hausdach verwandelt, viele verschieden hohe Schornsteine prägen das Bild. Doch es sind keine Katzen auf dem Dach: Da ist der "Tiger", ein Mann mit einem Schild um den Hals, auf dem "Tiger" zu lesen ist. Die Frau im Leoparden-Look. Der Geiger im Baströckchen, schwarz geschminkt. Die Viola-Spielerin im Kleid mit Affen, Tigern, Urwaldtieren darauf. Die Dschungel-Thematik beherrscht die Kostüme und lässt die zusammenhangslosen Text- und Klangelemente zunächst komisch erscheinen.
Nach und nach kommt Licht ins Dunkel, kristallisieren sich aus Tigergebrüll und Instrumentalpassagen ein paar Geschichten heraus, die - wie im Krimi - schließlich zusammen passen. Die als Indianer gekleidete Kommissarin tritt mit einem Foto an den Bühnenrand: "Kennen sie diese Frau?" Sie wurde in einer Venezianischen Gondel aufgefunden, tot. Die Pathologin - die Querflötistin Ortrud Kegel - findet ihren klassischen Part im konstatieren der Todesurasche, ebenso wie die analysierende Kommissarin rätselt, wie es passieren konnte. "Der Humor des Lebens ist manchmal etwas unbeholfen", erklärt die akkordeonspielende Leoparden-Frau ihr schrilles Lachen. Gleichzeitig wird ein Mann vermisst, der sich jede Nacht mit einer Kinokassiererin trifft, immer zur gleichen Zeit, zwischen zwei und vier Uhr morgens. Das verworrene Geschehen wird regelmäßig von Radio-Passagen unterbrochen oder ergänzt, "102,1 Nightline", die verängstigten, verunsicherten oder einfach mittelungsbedürftigen HörerInnen teilen dem Mann im Radio ihre geheimsten Gedanken mit, und damit auch dem Publikum. "Fragen sie mich nur, ich erzähle gerne von ihr", wiederholt der Bastrock-Violaspieler (Thomas Beimel), denn er kennt die vermisste Frau. Er hat seine ganze Wohnung voll mit Fotos von ihr, hat sie jahrelang verfolgt, um ihr nah zu sein, ohne je mit ihr gesprochen zu haben. "Krimi" erzählt keinen Krimi, auch wenn die sich mehr und mehr entwickelnden Geschichten Spannung erzeugen, nach Auflösung schreien. Die Zuschauer denken und analysieren mit, wie im Krimi eben. Kann der es gewesen sein, wie sieht die Täterpsychologie aus, war er von ihr besessen? Wieso kennt der vermisste Kinogänger die ermordete Frau, sie waren mal verlobt, der Mann kam bei einem Unglück ums Leben. Wie kann er da jeden Abend zum Kino kommen? Lügt die Kassiererin? War der Tod nur vorgetäuscht? "Ihnen fehlt ein Mörder." - "Vielleicht fehlt mir ein Mord." Kleine Textstellen, dem Krimi entnommen. Doch ist nicht nur Text relevant für das Bühnengeschehen. Mit Akkordeon, Viola, Violine und Querflöte erzeugt Partita Radicale Stimmungen und Klänge, die mehr als Hintergrundmusik sind. Sie werden in die Handlung einbezogen. Ausser Frage steht die hohe schauspielerische Leistung, sowohl der Instrumente als auch der SchauspielerInnen von German Stage Service. In Frage zu stellen ist, wie viel Abstraktheit ein Stück verträgt, um verständlich und unterhaltsam zu bleiben. Die Zuschauerkommentare haben alle den gleichen Tenor: "Zuerst ziemlich seltsam, am Ende dann doch ganz spannend." Es war sicher die Intention, Spannung zu erzeugen, durch den "Krimi", den der Tatort-Autor Orkun Ertener mit seinem Drehbuch natürlich mit hat einfließen lassen. Doch alles, was nicht "Krimi" ist, was den eigentlichen Handlungsverlauf unterbricht - ob als Text oder Klang - bleibt Symbol, Anspielung, Hintergrund. Die Zuschauer werden durch den skurrilen Anfang zunächst vom Geschehen distanziert, um sie dann wieder durch den spannenden Prozess der nie komplett vollzogenen Auflösung einzubinden. Sowohl die Geschichte selbst wie auch das Bild, das auf der Bühne entworfen wird, will verstanden und erklärt werden - doch das wird es nicht. Die Premiere und die Vorstellung am Samstag waren komplett ausverkauft. Kerstin Gerecht vom German Stage Service zieht eine erfolgreiche Bilanz.
Nach einer Pause mit Vorstellungen in Wuppertal und Düsseldorf wird "Krimi" erst wieder im Februar in Marburg zu sehen sein.
01.11.2000 * (FJH)
Sie liebt Verwandlungen: Frauen verkleiden sich als Männer; Männer schreiben Frauenromane unter weiblichem Pseudonym. Marburgs erfolgreichste Schriftstellerin
Jil Karoly
las am Dienstag (31. Oktober) in der
Stadtbücherei.
"Ich hatte ein Gefühl wie vor einem Zahnarzttermin", gestand die 41-jährige Marburgerin. Die Lesung im überfüllten Saal der Stadtbücherei war ihr erster öffentlicher Auftritt. Ihr Lampenfieber überspielte Jil Karoly dann aber gekonnt mit kabarettistischen Einlagen: Sie zitierte aus einer in der
Oberhessischen Presse
veröffentlichten Umfrage über Männer-Unterwäsche und hielt eine Feinripp-Unterhose hoch, um die 13 anwesenden Männer anschließend zu fragen, welche von ihnen - bei 42 Pozent müßten statistisch 6 Feinripp-Träger unter ihnen sein - so ein Stück trügen.
Ihre Lesung aus "Mannomann" geriet dann auch zu einem Kabarettauftritt, weil die Verfasserin sich - genauso wie ihre Heldin Alex - mit Jogging-Hosen, T-Shirt und Base-Ball-Cap als Mann verkleidete. Auch das in ihrem Buch beschriebene Männeridol Rudi Rabauke ließ sie nicht nur verbal, sondern zusätztlich mit geschnürten Lederhosen und Feinripp-Unterhemd vor den Augen der Zuhörer entstehen.
Ihre Texte las sie leise, aber betont, gelegentlich garniert mit Erklärungen oder witzigen Kommentaren. Auf Einwürfe aus dem Publikum reagierte sie spontan und meist humorvoll. Man nahm ihr ohne Zweifel ab, dass ihre satirischen Geschichten über das Verhältnis der Geschlechter genauso spontan entstehen wie die wohlformulierten Sätze, mit denen sie ihre Buchfragmente verknüpfte.
Nach "Mannomann", das in Bochum spielt, und eigene Erfahrungen aus dem Leben als Frau in einer Männer-WG verarbeitet, las Jil Karoly noch aus dem Prolog ihres neuen, bislang noch nicht veröffentlichten Romans "Hauptsache Schampus". Der bedeutende Literaturprofessor Harald Heldenritter, neidisch geworden auf die hohen Verkaufszahlen eines Frauen-Romans, studiert dessen literarische Struktur und schreibt dann ein solches Buch unter weiblichem Pseudonym. Diese Geschichte - so die Autorin - spielt in Marburg, woraufhin auch das von ihrem Protagonisten gewählte Pseudonym "Mara Burg" hindeutet. Andere Reminiszenzen an ihre Heimatstadt verwies die Schriftstellerin aber ins Reich der Phantasie.
Einfallsreichtum und Sprachwitz muss man der Bestsellerautorin unbedingt bescheinigen, wenngleich ihre Ausdrucksweise mitunter zu effekthascherischen Übersteigerungen und unnötigem Fäkalvokabular neigt. Die lebendige Darstellung ihrer Charaktere machte die Lesung zu einem vergnüglichen Abend, von dem sich die meisten BesucherInnen wohl mehr wünschen.
Mein wundervoller Wonderbra
Ein Mann für eine Nacht, Fischer-Taschenbus-Verlag, Frankfurt 1996
ISBN: 3596132762
Mannomann, Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 1998
ISBN: 3596503477
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