in Partnerschaft mit
17.08.2000 * (AJA)
Pia Maier
rückt in den deutschen Bundestag (BT) nach. Da der Frankfurter Bundestagabgeordnete Fred Gebhardt in der Nacht vom 14. auf den 15. August gestorben ist, liegt es nun an Pia Maier, die PDS-Hessen im BT zu vertreten. Ihr eigentliches Arbeitsgebiet "Bildung und Wissenschaft" ist bereits vergeben. Deshalb steht noch nicht fest, in welchen Bereichen sie ihre Fraktion repräsentieren wird.
Maiers Werdegang ist ein Ergebnis jahrelanger Betätigung in der Politik. Ihre Laufbahn startete sie bereits während ihres Studiums an der Universität Marburg.
Die dynamische Politikerin wurde am 17. März 1971 im baden-württembergischen Sindelfingen geboren. Nachdem sie dort im Jahre 1990 ihr Abitur abgelegt hatte, kam sie zum Studium nach Marburg. Sie belegte die Fächer Politik (Hauptfach), Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, sowie Kunstgeschichte (Nebenfächer). Nach dem Motto "Früh übt sich, wer was werden will", engagierte sie sich in der Hochschulpolitik. Sie trat in die Politik-Fachschaft ein und führte von 1994-1997 den Vorsitz des Allgemeinen Studentenausschusses (ASTA). Parallel zur hochschulpolitischen Arbeit, startete die Jungpolitikerin 1995, mit dem Eintritt in die PDS, ihre regionale Karriere. "Die Koalition Rot/Grün hat 1995 im Bereich der Hochschulen extrem gespart, dies war für mich ein entscheidendes Manko der Partei. Ich konnte mich damit einfach nicht mehr identifizieren", erläutert Pia Maier ihre Motivation in die PDS einzutreten.
Auf der PDS-Wahlliste kanditierte sie 1997 bei den Kommunalwahlen für die Aufnahme in die Marburger Stadtverordnetenversammlung. Mit der ersten PDS-Kommunalfraktion Westdeutschlands zog die ASTA-Vorsitzende in das Stadtparlament ihres Studienortes ein. Im Herbst 1998 engagierte sie sich im Bundestagswahlkampf der PDS, weil sie bei der Wahl hinter Fred Gebhardt den zweiten Platz auf der hessischen Landesliste einnahm.
Für ihre Tätigkeit im Parlament hat Maier klare Vorstellungen: Sie möchte eine Abgeordnete für Hessen sein, Gespräche mit Gewerkschaften, Vereinen und anderen Initiativen führen, um für deren Interessen und Anliegen im BT einzutreten. Darüber hinaus möchte sie für eine Zusammenarbeit mit der PDS werben und dementsprechend Partner suchen.
15.08.2000 * (FJH)
Bis in die 90er Jahre hinein sprachen wir preußisch-korrekten Mittelhessen über manche Länder in entfernteren Regionen des Erdballs - und zuletzt auch über die DDR - naserümpfend als "Bananenrepublik". Wir erhoben uns auch gerne über "mafiöse Strukturen" in südlichen Nachbaarländern. Doch schon beim Flick-Skandal Ende der 70er und erst recht jetzt sollte uns diese Überheblichkeit vergangen sein. Die "Ommerta" der Kohl, Koch und Konsorten lehrt uns tagtäglich, wie eng Macht und Moneten miteinander mauscheln.
Marburg spielt in diesem Parteispendenskandal übrigens eine wichtige Rolle: Hier ist der Wahlkreis des ehemaligen Kanzleramtsministers Friedrich Bohl, der sich so nachaltig um die Leuna-Akten gesorgt hat. In Frankreich ist schon gerichtskundig, dass bei der Privatisierung des DDR-Tankstellennetzes nicht nur Benzin geflossen ist, in der Schweiz ermitteln Staatsanwälte wegen Bestechung beim Verkauf von Leuna an die französische Elf-Aquitaine-Gruppe, doch in Deutschland beharren die damals regierenden Politiker immer noch fest darauf, da sei alles mit rechten Dingen zugegangen.
Als "Ehrenmann" gueriert sich Altkanzler Helmut Kohl, der die Namen seiner "Spender" nicht nennt, obwohl ihre Zuwendungen an ihn nicht den vorschriftsmäßigen Weg über die Schatzmeisterei der CDU genommen haben. Sicherlich ist es unter Ganoven Ehrensache, dass man die Mittäter nicht "verpfeift", wenn man einer Straftat überführt worden ist. Aber Kohl hat ja keine Straftat begangen, denn für die erhaltenen Gelder hat er doch ganz bestimmt keine Gegenleistung erbracht. Auch der Verkauf von Eisenbahnerwohnungen an einen Hamburger Großspender steht nur in einem zufälligen zeitlichen Zusammenhang mit den Millionen, die die CDU von ihm erhalten hat. Kohl ist schließlich ein Ehrenmann.
Aus demselben Holz geschnitzt ist auch Stadtallendorfs Bürgermeister Manfred Vollmer. Der hat von der ortsansässigen Schokoladenfabrik jahrelang zuwenig Gewerbesteuern verlangt. Als ihm deswegen der Prozess drohte, zahlte er reumütig 10.000 DM Buße für die "Einstellung des Verfahrens unter Auflagen" nach 153a der Strafprozessordnung. Zahlungen erhalten hat seine Partei von Ferrero sowohl auf Landesebene als auch im Kreisgebiet. Aber zwischen diesen Spenden von Ferrero und der zu niedrigen Gewerbesteuerfestsetzung bestand ganz bestimmt kein Zusammenhang!
Kein Zusammenhang auch mit der Baugenehmigung für die Werkserweiterung Ende der 80er Jahre in einem Trinkwasserschutzgebiet, wo andere nicht einmal eine Grarage genehmigt bekommen hätten! Kinderschokolade, Küßchen, Milchschnitte, Nutella und Joghurette sind schließlich gut bekömmlich, auch wenn sie in Wasser aufgelöst sind!
Gezahlt hat Ferrero nach eigenen Angaben übrigens auch an die FDP und die SPD im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Die Beträge hätten aber die Grenze von 3.000 DM nie überstiegen.
Solche Streu-Spendenaktionen nach dem Gießkannenprinzip klassifizierte der ehemalige Flick-Manager Eberhard von Brauchstdunichts als "politische Landschaftspflege". Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt!
In Deutschland ist Politik nicht käuflich. Wir sind schließlich nicht in einer Bananenrepublik!
So klärt Hessens Ministerpräsident Roland Koch "brutalstmöglich" weiter auf, was er bisher ganz bestimmt nicht gewusst hat. Denn auch dieser rasende Roland aus Eschborn ist doch ein Ehrenmann und lügt nie!
Zurücktreten werden die Herrschaften jedenfalls nicht, so erklärte Koch-Intimus Franz-Josef Jung am Wochenende, weil sie sich "nichts vorzuwerfen" hätten.
In der Wirtschaft ist es absolut üblich, dass man nur dann bezahlt, wenn man dafür auch eine Gegenleistung erhält. Und es ist klar, dass man für Leistungen auch Geld kassiert. Sollten sich die Politiker hier etwa anders verhalten haben?
Wir hätten niemandem etwas vorzuwerfen, wenn Parteispenden aus der Wirtschaft abgeschafft oder wenigstens stark begrenzt würden. Denn daran hängt doch zwangsläufig immer der Ruch von Bestechung.
"Peccunia non olet" ist die lateinische Rechtfertigung für jegliche Käuflichkeit. Politik sollte sich ihre Entscheidungen aber nicht von potenten Spendern mit einem einträglichen Schokoladenüberzug versüßen lassen.
Glaubwürdige Politiker wären auch das beste Mittel gegen Parteien- und Politikerverdrossenheit oder rechte Glatzen. Also: Hand aufs Herz statt Hand aufhalten!
09.08.2000 * (FJH)
Hunderte von Reden hat er in den letzten 29 Jahren geschrieben; nur eine einzige davon durfte er selber halten. Am Dienstagabend (8. August) nutzte
Erhard Dettmering die Gelegenheit, eine seiner ausgefeilten Reden auch selber vorzutragen.
Nach 29 Dienstjahren scheidet der Leiter des städtischen Presseamtes mit Ablauf des Monats August aus dem aktiven Dienst aus. Bei einer großen Verabschiedungsfeier im historischen Saal des Rathauses würdigten Politiker und Kollegen gleichermaßen die herausragenden Verdienste des Amtsleiters.
"Wahrscheinlich wäre ich heute ein gestresster Lehrer mit Burning-Out-Syndrom, hätte mich Hanno Drechsler nicht 1971 ins Rathaus geholt", mutmaßte Dettmering. Nach seinem Amtsantritt hatte der seinerzeitige Oberbürgermeister Dr.
Hanno Drechsler
den damaligen Studien-Assessor Erhard Dettmering eingestellt. "In seiner Amtszeit wurde die Pressestelle aufgebaut und zu einem Referat für Bürgerhilfe als Beschwerdestelle für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt ausgebaut", würdigte Drechslers Amtsnachfolger
Dietrich Möller
die Verdienste seines ausscheidenden Mitarbeiters.
Geboren wurde Erhard Dettmering am 1. Juni 1937 in Königsberg. 1944 flüchtete die Familie vor den heranrückenden russischen Truppen nach Westen. Seine Jugend verbrachte Dettmering in Niederwalgern, Marburg und Hannover. Zum Studium kehrte der gebürtige Ostpreuße nach Marburg zurück. Sein Referendariat absolvierte er an der Martin-Luther-Schule, anschließend fand der evangelische Geschichtslehrer eine erste Anstellung an der katholischen Stiftsschule Amöneburg.
1971 informierte der heutige Hauptamtsleiter Hans Rainer Mudersbach seinen Parteifreund über die Ausschreibung des Magistrats für die neu einzurichtende Stelle eines städtischen Pressesprechers. Drechsler entschied sich für Dettmering, mit dem ihn vor allem auch das gemeinsame Studium bei Wolfgang Abendroth verband.
"Ich hoffe, Du hast diese Entscheidung später nicht bedauert", wandte sich Dettmering an den Alt-Bürgermeister. Ein entschiedenes "Nein, nie!" war dessen spontane Antwort.
"Seine Maxime war, niemandem mehr abzuverlangen, als er selber zu leisten bereit und in der Lage ist", erklärte Dettmerings Kollege Mudersbach. Das verbinde ihn mit einem anderen großen Sohn seiner Herkunftsstadt Königsberg, dem Philosophen Immanuel Kant. Dessen kategorischer Imperativ liege auch Dettmerings Maxime zugrunde.
Mehrere Festredner lobten Dettmerings Rückgrat, das seine sachbezogene, fleißige und immer von Engagement getragene Arbeit geprägt habe. Als "Rathausgockel" kommentierte er Ereignisse in der Stadt in der Zwei-Monatsschrift "Studier mal Marburg", die er 1976 selbst aus der Taufe gehoben hat. Mehr als 80 Schriften zur Stadtgeschichte brachte das Presseamt unter Dettmerings Leitung heraus.
OB Möller hob seine Verdienste um die Städtepartnerschaften mit Eisenach, Poitiers und Maribor sowie um die Zusammenarbeit der Luther-Städte bei der Verleihung des Preises "Das unerschrockene Wort" hervor.
"Ich hatte das Glück, meine Hobbys zum Beruf machen zu können", freute sich Dettmering rückblickend. Schreiben, Fotografieren und sein Interesse an Geschichte konnte er hier gut miteinander vereinbaren. Ein umfangreiches Archiv mit zahlreichen Bildern des Hobbyfotografen ist eine seine dauerhaften Hinterlassenschaften.
Neben dem Dienst engagierte sich der Historiker auch in der SPD, deren Ortsverein Marburg-Nord er viele Jahre vorstand. Hinzu kam seine Arbeit als Synodaler in der evangelischen Kirche und sein Versuch, einer kritischen Geschichtsaufarbeitung in Marburger Studentenverbindungen.
Lobend hob Dettmering das gute Betriebsklima in der Stadtverwaltung hervor. Gleichzeitig warnte er jedoch vor politischen Streitereien im Magistrat, die der Stadt schaden und den Bürgern unverständlich erscheinen müssten. Er habe sich immer um ein gutes Verhältnis zu seinen Kollegen und der Presse bemüht; und das sei ihm auch weidlich gut gelungen, erklärte Dettmering. Nur mit einem einzigen Journalsisten habe er nicht gekonnt. Damals hat er die Zeitung abbestellt, weil er die "brillant geschriebenen Verrisse" des damaligen OP-Chef-Redakteurs erst nach dem Frühstück im Büro lesen wollte.
Noch ist Dettmerings Stelle nicht wieder besetzt. Sein Kollege Rainer Kieselbach betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Pressearbeit mit einem Wort des Alt-Bundespräsidenten Roman Herzog: "Ohne die Information der Öffentlichkeit ist Demokratie nichts."
Dieses Motto ist auch ein Leitmotiv von Erhard Dettmering, der zudem betonte, die Öffentlichkeit nie angelogen zu haben: "Ich habe nur nicht immer alles gesagt, was ich wusste."
Die kenntnisreichen Redetexte städtischer Politiker werden wohl demnächst weniger werden. Minutenlange stehende Ovationen der Anwesenden für Dettmering am Ende der Feierstunde sind ein eindeutiger Beleg für die große Wertschätzung, die seine Arbeit bei Kollegen, Journalisten und Politikern genießt. "Verabschiedungen und Beerdigungen haben eines gemeinsam", witzelte Dettmering. "Es wird nur gut über einen geredet. Der Unterschied ist nur, dass man bei einer Verabschiedung widersprechen kann." Widersprochen hat er nicht, sondern sich "über all das Gesagte richtig gefreut".
04.08.2000 * (SMa)
"Junge Wissenschaftler sollten mit ihren mutigen Entscheidungen, sich selbständig zu machen, nicht allein gelassen werden", erläutert Michael Bergholter von der Architektur + Nutzungsplanung (ANP) die wirtschaftliche Flaute des Landkreises Marburg-Biedenkopf. Am Donnerstag (3. August) besuchte der hessische Staatsminister Dieter Posch (FDP) das im Juli im ehemaligen US-Depot am Nödelweg neu eröffnete Gründerzentrum "Forum Marburg". Bei einem Round-Table-Gespräch diskutierte er mit Vertretern des "Forum Marburg" die Möglichkeiten einer strategischen Unterstützung von Firmengründern im Bereich "Life-Science". In Marburg haben Hochschulabsolventen mit herausragenden Leistungen kaum einen Anreiz, ihr Potential und Know-How der Region zu Gute kommen zu lassen. Es gibt ohnehin kaum Arbeitsplätze, und gerade hochqualifizierte Kräfte werden frühzeitig abgeworben.
Um diesen Missstand zu beseitigen, ist eine enge Zusammenarbeit von Universität und Wirtschaft geplant. Vor allem im naturwissenschaftlichen Bereich genießt die
Philipps-Universität
einen ausgezeichneten Ruf. Der Fachbereich Chemie wurde dieses Jahr nach Zürich und Cambridge in den Vorjahren zum "Centre of Excellence" erklärt, was seine internationale Wettbewerbsfähigkeit beweist. "Es wäre fahrlässig, dieses Potential an andere Regionen zu verschenken", warnt der neue Universitätspräsident
Horst F. Kern. Unter dem Namen "weiche Firmengründung" sollen Studierende künftig Unterstützung erhalten, um bereits während des Studiums eine eigene Existenz aufzubauen.
Dabei stellt die Universität Räumlichkeiten zur Verfügung, die Professoren halten eigens hierfür vorgesehene Vorlesungen ab, und die Business-Angels - Experten aus der Wirtschaft, die ihre jungen Kollegen mit Rat und Tat unterstützen - beteiligen sich ebenfalls an dem Vorhaben. Wenn eine solche "Garagen-Firma" jedoch eine wirtschaftlich stabile Grundlage errreicht hat und somit die räumlichen Kapazitäten ihres Fachbereichs sprengt, dann ist sie gezwungen, eine neue Bleibe zu suchen. Damit solche "Spin-Offs" nicht aus Marburg abwandern, will ihnen das "Forum Marburg" die nötigen Rahmenbedingungen anbieten. Das, was andere Bundesländer schon längst eingeläutet haben, soll nun auch in Marburg Wirklichkeit werden. Es soll vermieden werden, dass - wie bisher - Großinvestoren jungen Unternehmen einen Start ermöglichen, um später dann die entwickelten Ideen an größere Firmen zu verkaufen und den kleinen Betrieb zu schließen. "Das ist die Zukunft, sonst fährt der Zug ab, wenn er nicht schon abgefahren ist", meint Jochen Salzmann, Mitbegründer der Mochem GmbH.
Das Projekt sei vielversprechend und überzeugend, antwortete Posch, aber: "Da hätten wir schon etwas früher dabei sein müssen. Andere Bundesländer sind schon viel früher auf diese Idee gekommen."
In dem behindertengerechten neuen Gründerzentrum stehen ab sofort auf 16.611 Quadratmetern komfortable Konferenz- und Büroräume zur Verfügung. Um das ausgearbeitete Konzept zu verwirklichen, würden 10 Millionen DM benötigt. Dieses Geld erhoffen sich die beteiligten Unternehmen vom hessischen Wirtschaftsministerium.
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